„Tooor, Tooor. I wer narrisch“

von Redaktion

Seit Edi Finger und Cordoba 1978 weiß man auch in Deutschland, wie sich österreichische Emotionalität anhört

VON GÜNTER KLEIN

Das ist Österreichs berühmtester Satz – und jeder darf ihn sagen, darf ihn als Klingelton auf sein Smartphone laden, ihn zu Marketingzwecken verwenden. Die Gerichte haben es so festgelegt: „Tooor, Tooor – i wer narrisch“ gehört der ganzen Nation, es sind Sekunden des österreichischen Kulturguts.

Die Witwe von Edi Finger und die Tochter hatten geklagt gegen die, wie sie es empfanden, „widerrechtliche akustische Verwendung“ von Teilen aus der legendären Hörfunk-Reportage von 1978. „Da kommt Krankl. In den Strafraum. Schuss, Tooor, Toor, Tooor, Tooor, Tooor. I wer narrisch. Krankl schießt ein – 3:2 für Österreich.“ Weiter: „Wir fallen uns um den Hals: Der Kollege Rippel, der Diplom-Ingenieur Posch. Wir busseln uns ab.“ Später: „Warten’S noch a bisserl, dann könn ma uns vielleicht a Vierterl genehmigen. Und jetzt is auuus!“

Der Sound zu einem Fußballspiel, das für die eine Seite das pure Glück, für die andere historische Schmach bedeutete. Letzter Spieltag der Zwischenrunde bei der WM 1978 in Argentinien: Für Österreich war nach 1:5-Klatsche gegen die Holländer und 0:1 gegen Italien eh schon alles wurscht, und die Deutschen hatten nach 0:0 gegen Italien und 2:2 gegen die Niederlande nur noch eine Eventualchance auf das Endspiel. Ein Sieg mit fünf Treffern Differenz über Österreich wäre nötig gewesen – und ein Unentschieden im Parallelspiel Niederlande – Italien. dort aber führten die Oranjes ab der 75. Minute 2:1, und dabei blieb es.

Deutschland seinerseits führte schnell 1:0, besorgte allerdings den österreichischen Ausgleich durch ein Eigentor von Berti Vogts gleich selbst. Hans Krankl schoss das 2:1 für Austria, Bernd Hölzenbein das 2:2, aber da lief schon die 72. Minute, Das Spiel des Ja-immer-noch-Weltmeisters von 1974 zerbröselte. Und dann spielte in der 88. Minute der Krankl Hansi alle schwindlig. Und aus ORF-Reporter Edi Finger brach es heraus.

Man hat seine Sätze später unters Fernsehbild gelegt, tatsächlich kommentierte Finger aber fürs Radio. Das war sein Metier, obwohl er auch im Fernsehen zu sehen war – in „Sport am Montag“, der 1975 eingeführten hintergründigen Sendung, die auch im bayerischen Empfangsraum des ORF konsumiert wurde. War Finger live im Radio, haben viele Österreicher im TV das Bild laufen lassen, aber den Ton weggedreht. Edi Finger war die Nummer eins der Sportpräsentatoren im Lande – entsprechend wurde er hofiert, wohin er auch kam. Nach der I-werd-narrisch-Reportage aus Cordoba, die auch auf Schallplatte erschien, erst recht. Man nannte ihn „den Herrn Ingenieur Finger“, und wenn er einen frischen Satz Reifen brauchte, musste er nicht bezahlen.

Seine Emotionalität zeigte Edi Finger in nahezu allen Sportarten, 1976 kommentierte er das Abfahrtsgold von Franz Klammer bei Olympia in Innsbruck, er war an der Formel-1-Strecke, als Jochen Rindt seine großen Rennen fuhr. Finger wurde zum Prototypen des leidenschaftlichen Begleiters – nachfolgende Generationen übernahmen das, und einem kleinen Land ließ man das durchgehen. Es haben 1978 auch die deutschen Zuschauer und Zuhörer goutiert, wie Edi Finger sich in einen Rausch freute.

Er hatte es im Leben ja auch schwer gehabt. Der Vater wurde als Kommunist geächtet und starb früh. Edi, Jahrgang 1924, musste sich alles erarbeiten: Bildung, Matura, Studium.

Den Übertragungsauftrag aus Cordoba nahm er zunächst ohne große Lust an, für Österreich war die WM ja gelaufen. Er war damals bereits 54 Jahre alt und hatte alles erreicht. Seinen Ruhm über die Grenzen hinaus konnte er nicht lange genießen, 1979 erlitt Edi Finger einen Herzinfarkt, live machte er sich rarer, beschränkte sich mehr aufs Organisatorische in der ORF-Redaktion. 1989, nach dem dritten Infarkt, starb er.

Sein Sohn Edi Finger junior, der mittlerweile auch schon 71 Jahre alt ist, übernahm die Rolle des Seniors beim Radio. Und hat einen Sohn, der Edi heißt.

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