München – Joachim Löw ist nun wieder im Dienst. Zurückgekehrt von den langen Spaziergängen durch den Schwarzwald und Kümmerer-Besuchen bei Freunden und Familie („Da waren auch einige krank“). Seit Ausbruch der Corona-Krise hat er lediglich ein Spiel im Stadion gesehen, es war das Pokalfinale in Berlin – doch bis Jahresende soll er selbst wieder coachend in Erscheinung treten. Acht Länderspiele, freundschaftliche und solche in der Nations League, stehen auf dem Programm: September, Oktober, November.
Der Bundestrainer hat ja schon wieder mit dem Telefonieren angefangen. Mit „dem Hansi“ vor allem, mit Hansi Flick, den er nach acht gemeinsamen Jahren beim DFB „meinen Seelenverwandten“ nennt. Außerdem mit Julian Nagelsmann und mit den Münchner und Leipziger Spielern, die eigentlich die Achse der Nationalmannschaft bilden. Es ging um die ersten Länderspiele nächste Woche in Stuttgart gegen Spanien, dann weiter nach Basel, um gegen die Schweiz anzutreten. „Der Hansi“ hat zunächst gesagt, er ist dafür, dass seine Champions-League-Leute gleich wieder spielen, „er würde sie schicken“, Gleiches sei von Nagelsmann zu hören gewesen. Und auch die Spieler „hänt gesagt“, so Löw, „Mensch, Trainer, ich möchte kommen, ich bin heiß“. Dann hat „der Hansi“ kurz vor dem Endspiel in Lissabon „mitgeteilt, dass die Spieler schon sehr belastet sind und n die Grenze kommen. Und am Ende war froh über meine Entscheidung.“
Die lautet: Löw verzichtet für die ersten beiden Länderspiele auf den Bayern-Stamm und auch auf die Leipziger, aus dem Champions-League-Finalturnier nominiert er die Paris-Saint-Germain-Akteure Thilo Kehrer und Julian Draxler, weil die in der Liga eine lange Pause hatten. Niklas Süle ist auch ein Ausnahmefall, er kommt von einem Kreuzbandriss zurück. Und Leroy Sané hat bei den Bayern noch nicht richtig angefangen.
Der Bundestrainer versichert: Alles seine Entscheidung, unbeeinflusst von Vereinen und Interessensvertretern. Er versteht sich als Langzeitplaner. „Vorausschauendes Denken ist gefragt. Die Mannschaft muss geistig und körperlich frisch in die EM im nächsten Jahr gehen.“ Die Umstände sind eben besondere, und was die Belastungssteuerung angeht, wird auch die DFB-Akademie sich in die Planungen einschalten. Direktor Oliver Bierhoff: „Wir haben einen Haufen von Experten in allen Bereichen.“
Löw nutzt die Gelegenheit, neue Spieler einzuladen: Hoffenheims Torwart Oliver Baumann („Seit zehn Jahren auf gutem Niveau“), den bei Atalanta Bergamo aufgefallenen Außenverteidiger Robin Gosens und den Gladbacher Mittelfeldspieler Florian Neuhaus, eine Stütze der U 21 des Verbandes.
Für den DFB sind nach einer Pause von zehn Monaten (Präsident Fritz Keller: „Die längste seit dem Zweiten Weltkrieg, das sagt alles“) diese kommenden Spiele wichtig, „sie sind“, so drückt es Generalsekretär Curtius aus, „unsere Lebensversicherung“. Allerdings: Nach Anordnung von oben (UEFA) sind Zuschauer weiter nicht zugelassen. Der Plan war gewesen, „dass wir in Stuttgart 500 reinlassen, aber Tickets nicht verkaufen, sondern sie an Leute aus systemrelevanten Berufen des Gesundheitswesens vergeben“ (Keller).
Die Nationalmannschaft muss sich dem Hygienekonzept unterwerfen, das die Spieler aus der Liga kennen und das im Vergleich zur Ursprungsversion gelockert wurde. Oliver Bierhoff findet aber, dass Tim Meyer, der verantwortliche Arzt, „weiter streng mit uns ist“. Es wird getestet werden und das Leben sich im Hotel abspielen.
Aber eben: Gesund bleiben – das hat Priorität. Der Münchner Erfolg hat – auch wenn Löw Boateng und Thomas Müller nicht zurückholen wird – Perspektive für die EM 2021 geschaffen. Fritz Keller war in Lissabon – zum Schnuppern. „Der Pott hatte einen Klassegeruch.“