„Richtig Bock auf den Neuanfang“

von Redaktion

Michael Köllner über den Umbruch bei 1860, große Ziele und seine Dorfmensch-Mentalität

Windischgarsten – Keine Fragen zur geplanten Etaterhöhung, keine zum Stand bei den Neuverpflichtungen. Das waren die Spielregeln des TSV 1860 für die erste Gesprächsrunde mit Michael Köllner in Windischgarsten. Am Ende aber kein Problem, denn wenn der Trainer mal ins Plaudern kommt, dann ist er nur schwer zu bremsen. Umbruch, Jugendkurs, Saisonziel – über all das und noch vieles mehr nahm der 50-Jährige am Auftaktabend des Trainingslagers in Oberösterreich Stellung.

Michael Köllner über . . .

. . . sein neues Kampfgewicht: „Ich versuche auch nach meiner Heilfastenkur, mich gut zu ernähren, habe sechs, sieben Kilo abgenommen. Ich muss viel Fett essen, viel Eiweiße. Aber keine Kohlenhydrate, keinen Zucker. Ich esse überwiegend am Abend, am Mittag und Vormittag nix.“

. . . seine Herangehensweise mit dem stark verjüngten Team: „Wir müssen schauen, dass wir auf und neben dem Platz eine Mannschaft werden. Dass wir zusammenwachsen, dass unser Spiel griffiger und reifer wird. Dass wir außerhalb des Platzes eine starke Gruppe werden.“

. . . die soziale Komponente: „Die Meisterschaft wird in der Regel in der Saisonschlussphase entschieden, da brauchst du eine funktionierende Gruppe. Letzte Saison war wegen Corona äußerst schwierig. Das war am Ende ein Killer für uns.“

. . . den „Killer“: „Wenn du nur in Kleingruppen trainieren kannst, bricht das soziale Gefüge auseinander. Eine Gruppe hat sich im NLZ drüben umgezogen, da hast du genau das, was du als Trainer vermeiden willst: Grüppchenbildung. Wir waren vorher eine starke Gruppe, haben eine starke Serie gespielt. Danach konnten wir das nicht mehr so beibehalten.“

. . . seine Saison-Analyse: „Natürlich wären wir gerne aufgestiegen, wäre ich gerne aufgestiegen. Aber wir waren mit der Saison trotzdem zufrieden. Jetzt gibt es Möglichkeiten der Neugestaltung. Die Spieler hatten nur zwei freie Tage im August, haben ein Mörder-Programm abgespult. Es geht jetzt darum, am Feinschliff zu arbeiten. Ich sehe immer alles als Chance.“

. . . Sechzigs Neuaufbau: „Ich habe da richtig Bock darauf, das zu machen. Es ist auch kein Notfallplan für uns. Es ist eine richtig gute Situation. Auch wenn es von außen so aussieht, als würden wir es so machen, weil nichts andres geht. So in etwa: Fürs Fleisch hat es nicht gereicht, dann essen wir bloß eine Suppe. Das empfinde ich nicht so.“

. . . Sechzig Jugendförderung: „Wir haben letztes Jahr bewiesen, dass wir nicht umsonst die zweitbeste Mannschaft waren, was den Einsatz junger Spieler betrifft – vor dem angeblichen Jugendverein Unterhaching! Ich kann mich immer noch an Manni Schwabls Worte erinnern: ‚Der Mölders hat da nix verloren, es müssen Junge spielen.’ Komischerweise haben wir am Saisonende mehr Einsatzminuten als dieser auserkorene Jugendverein.“

. . . Ausstiegsgedanken am Ende der letzten Saison: „Die gibt’s immer. Aber erstens, wer meine Biografie kennt: Ich war 14 Jahre beim DFB, und in diesen 14 Jahren hätte ich x-mal wechseln können. Und die mit mir beim DFB gearbeitet haben, sind relativ schnell wieder von dannen gezogen. Der Einzige, der am Schluss noch da war, war ich. Zweitens: Meine Frau sagt immer: Du bist ein typischer Dorfmensch, der erst mal schaut, dass alles sicher ist. Von dem her hat sich die Frage eigentlich nicht gestellt. A habe ich einen Vertrag, B bin ich keiner, der nach einem Dreivierteljahr davonrennt und sagt: Das war’s jetzt.“

. . . seine Ambitionen nach dem Umbruch? „Also, die Ambitionen sind deswegen nicht kleiner geworden. Ich hab auch nicht das Gefühl, dass Untätigkeit im Verein ist. Es dauert halt alles seine Zeit, das muss man wissen.“

. . . Teambuilding: „Ich bin so ein Kino-Fan. Wir werden am Freitag zusammen einen speziellen Film anschauen – wie schon im Januar in La Manga. Raften werden wir auch machen am Samstag. Das war der Wunsch der Mannschaft. Es hat ihnen letztes Jahr so gut gefallen – und dann raften wir halt.“

. . . die neue Spielweise: „Pressing wird ein großes Thema sein. Wenn du eine junge Mannschaft hast, musst du ein brutal laufstarkes Kollektiv entwickeln. Das schließt aber nicht aus, dass wir weiterhin einen guten Ball spielen wollen.“

. . . den Zwist der Gesellschafter: „Diesen Gesellschafterstreit, den sehe ich nicht. Natürlich hätte man gerne, dass sich alle in den Armen liegen und rumhüpfen miteinander. Ich finde trotzdem, dass konstruktiv für den Verein gearbeitet wird. Das ist für mich die Basis. Der Fußball schreibt seine Geschichten, tolle und schlimme. Paderborn war vor drei Jahren tot – und zwei Jahre später in der Bundesliga. Ich glaube, wir sind in einer Phase, dass wir wieder gute Geschichten schreiben können.“

. . . das Saisonziel: „Schwierig zu sagen. Erstens glaube ich, es wird noch etwas auf dem Transfermarkt passieren. Zweitens muss man abwarten, was in den nächsten drei Wochen Vorbereitung noch passiert. Es wäre jetzt nicht seriös, etwas rauszuhauen.“

Aufgezeichnet: Uli Kellner

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