München – Die besten Tennisspieler der Welt schlagen sich wieder die Bälle um die Ohren. Nicht nur im Training, sondern auch im offiziellen Wettkampf. Tennis ist zurück. Zumindest ein bisschen. Mal ganz ohne Zuschauer. Wie beim Masters-Turnier in Cincinnati, das bis Samstag in New York ausgetragen wurde. Mal mit einigen hundert Fans – wie beim Challenger-Turnier in Prag, Einer, der das Geschehen dies – und jenseits des Atlantiks ganz genau verfolgt ist Dirk Hordorff. Der Vizepräsident des Deutschen Tennisbund hat während der Corona-Pause selber mit der „German Pro Series“ einen Übergangswettbewerb ins Leben gerufen.
Herr Hordorff, in New York schlugen beim Masters-Turnier die Topstars wieder auf. Eine gelungene Veranstaltung?
Es war ein Turnier ohne Zuschauer und damit noch nicht die Rückkehr zur Normalität. Ähnlich wie im Fußball. Eine unvermeidliche Situation. Es ist ein erster Schritt, auf den hoffentlich bald die nächsten folgen.
Guido Pella und Hugo Dellien wurden vom Turnier ausgeschlossen, weil ihr Fitnesstrainer positiv auf das Coronavirus getestet worden war. Die Spieler beschwerten sich heftig. Sie seien getäuscht worden. Beide Ausgeschlossenen wurden selbst negativ getestet.
Die Spieler sind sehr verärgert. Da wurde von Seiten der ATP nicht mit offenen Karten gespielt. Wenn infizierte Personen im Umfeld zum Ausschluss führen, obwohl die eigenen Tests negativ sind, wären viele Spieler gar nicht mit Trainern angereist. Das wurde den Spielern im Vorfeld anders dargestellt. Ich kann die Wut verstehen.
Bedroht dieser Fall den gesamten Restart im Tennis und damit auch die am Montag beginnenden US Open?
Das glaube ich nicht. Hier wurden zwei Spieler ausgeschlossen, die sportlich qualifiziert waren und negativ getestet wurden. Das ist fatal. Aber ohne weitere solcher grotesken Fälle wird es weitergehen.
Einige Topstars haben ihre Teilnahme an den US Open abgesagt. Hätte man länger warten sollen, bis auch Topstars wie Rafael Nadal bereit gewesen wären, in die USA zu fliegen?
Nein. Irgendwann muss es ja wieder losgehen. Der Sport darf da auch nicht zu arrogant sein und glauben, ihm gelinge alles einfacher als dem Rest der Gesellschaft. Jeder muss mit Einschränkungen leben. Auch der Sport, auch das Tennis. Wenn Rafael Nadal für sich entscheidet, in dieser Zeit lieber nicht nach New York zu fliegen, ist das sein gutes Recht.
Ist es Zufall, dass mehr Frauen als Männer abgesagt haben?
Glaube ich schon. Hinter jeder Absage steckt eine individuelle Entscheidung. Dadurch, dass die French Open direkt nach den US Open stattfinden, herrscht Terminstress. Und Rafael Nadals Beziehung zu den French Open ist ja sehr speziell. So dass er dort unbedingt in Topform spielen will. Zudem hat er letztes Jahr in New York gewonnen und kann durch das geänderte Punktesystem keine Weltranglisten-Punkte sammeln. Daher macht es für ihn Sinn nicht zu spielen.
Sie haben mit der „German Pro Series“ selber eine Turnierserie veranstaltet. Rückblickend ein Erfolg?
Auf jeden Fall. Unser Ziel war es, Spieler in schwierigen Zeiten die Möglichkeiten zu geben, Matchpraxis zu sammeln und etwas Geld zu verdienen. Wenn ich sehe, dass unser Sieger Yannick Hanfmann gleich das erste Turnier danach in Dodi gewonnen hat, ist das ein Fingerzeig, dass die Serie ihr Ziel nicht verfehlt hat.
Viel wurde über Reformen im Tennis diskutiert. Zum Beispiel über gerechtere Preisgeldverteilung. War das nicht viel mehr als heiße Luft?
Moment. Bei den US Open bekommt jeder Teilnehmer zum Beispiel mehr Geld. Weniger gibt es in den späteren Runden. Auch wir haben versucht, ausgeglichen zu bezahlen, ohne den Reiz des Turniersiegs zu zerstören. Es tut sich was. Aber langsam. Manchmal zu langsam, da haben Sie Recht. Daran müssen und werden wir arbeiten.
Wird sich Tennis denn nachhaltig verändern? Weniger Flugreisen, mehr regionale Turniere werden immer wieder gefordert.
Grundsätzlich wird die Struktur sehr ähnlich wie vor der Pandemie aussehen. Das Rad lässt sich nicht zurückdrehen. Tennis ist ein internationaler Sport. Das macht den Reiz aus. Noch längere Perioden an Turnieren auf einem Kontinent kann ich mir allerdings schon vorstellen. Beispielsweise eine längere US-Tour im Spätsommer. Man sollte jetzt auch nicht so tun, als ob der Sport in der Krise steckt. Tennis war weltweit vor Corona extrem erfolgreich und im Wachstum. Da geht es mehr um Anpassungen in einem funktionierendem System.
Wie können Anpassungen aussehen?
Die Zuschauer im Stadion müssen sich zum Beispiel freier bewegen können. Eine Viertelstunde vor einem Absperrband zu warten, um auf seinen Platz gehen zu dürfen, ist nicht mehr zeitgemäß.
Ein Riesenaufreger war die Adria Tour von Novak Djokovic. Sind Sie inzwischen dahinter gekommen, was Djokovic bezwecken wollte?
Ich glaube, er wollte den Tennisfans etwas Normalität zurückgeben. Und bitte nicht vergessen: Er hat das in enger Absprache mit den Behörden vor Ort getan. Das war kein Alleingang. Die Veranstaltung war so genehmigt.
Direkt danach klangen Sie weniger versöhnlich. Haben gesagt sie seien „fassungslos“ und von einem „katastrophalen Bild“ gesprochen.
Da sehe ich auch immer noch so. Wenn weltweit so gut wie alles zu ist und parallel Bilder von einer Tennisparty um die Welt gehen, ist das befremdlich, keine Frage. Nur finde ich es völlig unangebracht, ausschließlich Novak Djokovic dafür verantwortlich zu machen. Die Regierung hat 4000 Zuschauer zugelassen. Nicht Novak.
Auch Alexander Zverev ist im Zuge der Debatte massiv in die Kritik geraten.
Eine völlig falsche Reaktion der Öffentlichkeit. Der junge Mann tanzt in der Diskothek mit nacktem Oberkörper – das kann man gut oder schlecht finden. Aber von einem nackten Oberkörper ist noch kein Virus in den Körper gelangt. Jeder sollte sich selber mal überlegen, was er oder sie mit 20 so angestellt hat und ob das immer klug war. Von mir weiß ich, dass es das nicht immer war. Wie da auf ihn eingehauen wurde, finde ich völlig unangebracht.
Aber das Video stand im krassen Widerspruch zu seinen Quarantänen-Versprechen.
Aber wir müssen die Kirche im Dorf lassen. Der Junge hat einen Fehler gemacht. Dafür hat er sich entschuldigt. Eine Entschuldigung muss man akzeptieren. Teilweise sollte er von Veranstaltungen ausgeschlossen werden und es wurden Worte verwendet, die man im Dritten Reich gebraucht hat. Das war sehr befremdlich. Der Junge hat keinen umgebracht, niemanden niedergeschlagen. Sondern er hat einen Fehler begangen, mit dem er sonst niemanden geschädigt hat.
Überrascht hat Zverev mit David Ferrer als neuem Trainer. Sie auch?
Mich hat die Überraschung überrascht. Alexander Zverev ist ein unglaublich harter Arbeiter. Dafür stand Ferrer in seiner Karriere ebenfalls. Warum sollten die Zwei nicht zusammenpassen? Die Zusammenarbeit sehe ich absolut positiv und nachvollziehbar. Ich freue mich für Alexander, dass er einen guten Mann gefunden hat. Der einzige Unterschied zwischen den beiden sehe ich von außen in der Körpergröße.
Sehr stark hat Jan-Lennard Struff beim Restart gespielt. Hat er noch Luft nach oben?
Für mich ist Jan-Lennard Struff ein Top-Ten-Kandidat. Von seinen Anlagen war er das schon immer. Inzwischen glaubt er aber an die eigene Stärke.
Woher kommt die neue Stärke?
Manche Spieler brauchen etwas um eine eigene Identität auf dem Platz zu finden. Die hat er jetzt. Er ist reifer, erfahrenerer geworden. Wahrscheinlich hat ihm auch geholfen, dass er jetzt Familienvater ist. Mich freut das sehr. Er bringt sich in jeder Sicht auch beim DTB sehr positiv ein. Wenn er so weitermacht, ist er noch lange nicht an seinem Limit angekommen. Interview: Daniel Müksch