Laruns – Mit gesenktem Kopf und schwerem Tritt quälte sich Emanuel Buchmann die steilen Rampen in den Pyrenäen hinauf, verzweifelt blickte der deutsche Hoffnungsträger den Stars der Branche hinterher. Beim Showdown in den Pyrenäen hat sich für den angeschlagenen Vorjahresvierten der Traum vom Podium in Paris wohl erledigt. Mit über vier Minuten Rückstand erreichte der Kletterspezialist am Sonntag auf der neunten Etappe der 107. Tour de France das Ziel in Laruns, nachdem ihm am Vortag schon die Grenzen im Hochgebirge aufgezeigt worden waren. „Ich habe mich von Anfang an schlecht gefühlt, war schon früh am Limit. Ich habe mein Bestes gegeben, aber mehr war nicht möglich“, sagte der sichtlich geknickte Buchmann, nunmehr 18. des Gesamtklassements (5:45 Minuten zurück), im Zielort Laruns.
Am heutigen Ruhetag wird beim arg gebeutelten Bora-hansgrohe-Team über die weitere Strategie entschieden. Die Ziele dürften nach unten korrigiert werden. „Wir haben gesehen, dass wir weit weg von 100 Prozent sind“, sagte Enrico Poitschke, Sportlicher Leiter beim Raublinger Rennstall. Lennard Kämna, Buchmanns Helfer, erklärte das Unternehmen Podium nach der 9. Etappe für beendet. „Jetzt ist das Ding durch. Ich gehe nicht davon aus, dass er noch eine Riesenchance hat“, sagte der 23-Jährige. Teamkollege Felix Großschartner meinte: „Natürlich bricht etwas zusammen. Wir müssen etwas den Plan ändern. Man kann jetzt auch auf Etappensieg gehen.“
Beim Schlagabtausch der Favoriten stand nicht nur der Kapitän des Bora-hansgrohe-Teams auf verlorenem Posten. Auch der Brite Adam Yates konnte nicht mehr folgen, als die Stars ernst machten. So verlor der 28-Jährige das Gelbe Trikot an Vuelta-Champion Primoz Roglic. Der Slowene erreichte nach 153 Kilometern und fünf Bergwertungen von Pau nach Laruns als Zweiter hinter seinem jungen Landsmann Tadej Pogacar das Ziel. Zuvor hatte er sich schon fünf Bonussekunden am Schlussanstieg geholt. Tragischer Held war der Schweizer Marc Hirschi vom deutschen Sunweb-Team, der nach einem couragierten Solo kurz vor dem Ziel eingeholt und im Schlusssprint Dritter wurde.
Buchmann hatte schon am Vortag erste Probleme offenbart. Über eine Minute verlor er auf der ersten Pyrenäen-Etappe. „Das ist nicht das, was ich wollte und wie ich gerne fahren möchte“, hatte er anschließend gesagt, „aber es geht wohl noch nicht besser nach dem Sturz.“ Zwei Wochen vor dem Tour-Start war Buchmann bei der Dauphiné schwer zu Fall gekommen, beim Grand Depart in Nizza waren die Blessuren noch nicht voll ausgeheilt. Die langen Tage im Sattel während der ersten Tour-Woche wirkten sich zwar zunächst positiv auf Buchmanns Fitness aus, im Vollbesitz seiner Kräfte ist er aber noch nicht. „Es fehlen einfach die letzten paar Prozent, um mitzufahren. Aber Emu hat super gekämpft“, sagte Boras Sportlicher Leiter Enrico Poitschke am Sonntag.
Der Ravensburger musste am Schlussanstieg zum Col de Marie Blanque abreißen lassen. Eskortiert vom österreichischen Teamkollegen Gregor Mühlberger ging es nur noch um Schadensbegrenzung. Den Rückstand konnte er auch auf der rasenden Abfahrt nicht mehr aufholen. „Es besteht die Hoffnung, dass es besser wird“, sagte Buchmann vor dem Ruhetag am Montag. Mehr sei aktuell nach dem Sturz bei der Dauphiné nicht drin.
Die Favoriten legten dagegen am Sonntag ihre Zurückhaltung vollends ab. Auch Vorjahressieger Egan Bernal zeigte sich in besserer Verfassung und lancierte erstmals Attacken. Doch gegen die Explosivität von Roglic kann er kaum etwas ausrichten. So holte sich der Slowene auch auf dem Gipfel die Bonussekunden vor seinem Landsmann Tadej Pogacar. Der junge Pogacar könnte die große Sensation der Tour werden. Schon am Samstag war der erst 21-Jährige den Favoriten davongeflogen und hatte ihnen 40 Sekunden abgeknöpft. Ohne das Malheur vom Freitag, als er durch einen gestürzten Fahrer über eine Minute verlor, wäre er jetzt in Gelb. dpa/sid