München – Als Michael Köllner mit seinem 30 Jahre alten Rennrad vorfährt, ist es 16.54 Uhr – und der Löwen-Trainer hat beste Laune mitgebracht. „Jetzt ham’s noch sechs Minuten – sonst wird’s teuer“, sagt Köllner und meint seine Berufskollegen Holger Seitz, Arie van Lent und Alexander Schmidt. Eine Disziplinarstrafe für grobes Unpünktlichsein musste am Ende keiner bezahlen, und der freche Spruch des Oberpfälzers wurde angemessen gekontert – mit einer kollegialen Lästerei über die Farbe seines Rennrads: Violett. „War damals total in“, so Köllner. Passte insofern auch gut, weil ja der Anlass des Treffens eine seltene Vermengung von blauen Löwen, roten Bayern, rotblauen Hachingern und dem rotweißen Drittliganeuling Türkgücü war. Unsere Zeitung hat die Trainer der vier Lokalrivalen ins Paulaner Bräuhaus am Kapuzinerplatz geladen – zum großen Vierer-Interview am Donnerstagabend, kurz vor dem ersten Spieltag.
Herr Schmidt, gleich mal provokativ gefragt: Wie fühlt man sich in der Rolle des Bad-Boy-Trainers?
Schmidt: Bad Boy… Wegen der Sache mit dem DFB-Pokal? Ich habe mit unserem Präsidenten (Hasan Kivran) gesprochen, er sagte mir, dass Schweinfurt unsere Drittliga-Lizenz anfechten will – entgegen den Abmachungen. Von daher verstehe ich es, wenn wir auf unser Startrecht im Pokal pochen. Und rein von der Logik her: Warum sollte der Tabellenzweite im DFB-Pokal spielen? Wir waren doch Erster und gehören da rein.
Wie sehen es die anderen Herren in der Runde?
Seitz: Ich war bei den Gesprächen nicht dabei, deswegen kann diese verfahrene Situation nicht beurteilen.
Köllner: Ich bin mit Markus Wolf (Präsident des 1. FC Schweinfurt) befreundet, von daher enthalte ich mich einer Meinungsäußerung. Das ist auch nicht unsere Baustelle.
Vier Trainer, alle um die 50 Jahre alt. Wie gut kennen sich die Herren eigentlich untereinander?
Köllner: Arie van Lent kenne ich aus dem Fernsehen (lacht), Holger schon länger, aus gemeinsamen Zeiten beim DFB/BFV – und den Alex auch.
Stimmt es, dass Sie, Herr Köllner, mit Alexander Schmidt als Co-Trainer vor einem Jahr beinahe bei Swansea City gelandet wären?
Köllner: Ja, es gab eine Anfrage, aber ich habe wohl leider zu schlecht verhandelt (lacht). Ich kenne den Alex schon lange aus meiner Zeit als Trainer der Bayern-Auswahl, damals war er bei 1860. Jetzt sind wir wieder Gegner.
Schmidt: Wir schätzen uns – und haben ernsthaft darüber nachgedacht.
Für Köllner hätten Sie also doch noch mal den Co-Trainer gemacht. Sind Sie auch in der 3. Liga bereit, sich dem Kollegen unterzuordnen?
Schmidt: Natürlich nicht! Wir haben keine Angst vor großen Namen.
Gutes Stichwort. Ihr erster Gegner am Samstag ist gleich der FC Bayern . . .
Schmidt: Lieber habe ich Bayern gleich jetzt zum Start als später, wenn sie eingespielt sind.
Ein Derby ohne Zuschauer – wie sehr schmerzt es?
Seitz: Ich kenne unsere Fans und weiß, wie bitter das ist. Aber es liegt nicht in unserer Hand. Wir können nur warten und hoffen, dass es bald wieder mit Fans geht. Schmidt: Dem kann ich mich nur anschließen.
Bei Unterhaching in Zwickau und 1860 in Meppen sind immerhin Fans der Heimteams erlaubt.
Van Lent: Und es wird sich nach Fußball anfühlen! Ob die jetzt für oder gegen uns sind, das ist mir nach der langen Zeit ohne Zuschauer fast schon egal. Wir haben uns auch über die 120 Leute vom Trainerlehrgang gefreut, die beim Test gegen Bayern dabei waren.
Köllner: Mir ist das in Meppen auch wurscht. Hauptsache es rührt sich wieder was. Ohne Fans ist es eine Katastrophe. Fußball ist emotional, das macht unseren Job doch am Ende auch aus. Für wen machen wir denn das alles? Ich hoffe, dass sich das Thema jetzt sukzessive normalisiert, sichere und praktikable Lösungen gefunden werden. Wir sind nicht dafür geboren, dass wir elf gegen elf fürs Fernsehen spielen – und am Rand steht dann ein Ordner und sagt: „Bitte setzen Sie die Maske auf!“
Van Lent: Im Moment hört man auch jedes Wort von uns – auch die Sätze, die besser keiner hören sollte.
Hat Türkgücü die Chance, ein Zuschauermagnet zu werden?
Schmidt: Es könnten mehr Zuschauer sein – dafür dass so viele türkischstämmige Leute in unserem Einzugsgebiet leben. Unser Präsident ist da ein bisschen skeptisch, ich glaube schon, dass man die emotionalisieren kann.
Wie nimmt man als Trainerkollege den Neuling Türkgücü wahr?
Van Lent: Sie sind aufgestiegen und haben daher die Berechtigung, in der 3. Liga zu spielen. Ob sie dann die zweite oder dritte Kraft werden, wird man sehen. Vielleicht, hoffentlich, werden sie eine Kraft hinter uns (lacht).
Sie können das Ganze ohne Erfolgsdruck angehen, Herr Seitz. Oder fordert Hansi Flick eine bestimmte Quote an Talenten, die zu den Profis hochkommen sollen?
Seitz: Eine feste Quote gibt es nicht, aber unsere Aufgabe ist es ganz klar, Spieler an das höchste Niveau heranzuführen. Hansi Flick hat immer ein Auge für unsere jungen Spieler, ich glaube, dass die Chance für den Sprung nach oben lange nicht mehr so gut war beim FC Bayern. Bestes Beispiel ist Joshua Zirkzee. An der Meisterschaft wird unsere aktuelle Mannschaft sicher nicht gemessen werden nach all den Abgängen.
Stichwort Talente. Wer hat denn jetzt die besseren, Haching oder 1860?
Köllner: Ich weiß, worauf Sie anspielen. Ich sag mal so: Manni und ich mussten das Sommerloch ein bisschen überbrücken, jetzt geht es um andere Themen.
Van Lent: So was gehört doch dazu. Ich hab geschmunzelt darüber. Und in der Sache haben beide recht: Der Nachwuchs ist wichtig, wir brauchen ihn, um zu überleben. Köllner: Manni ist absoluter Nachwuchsverfechter – aber wir sind es auch. Sinn und Zweck der 3. Liga ist nicht, dass wir mit 15 Mölders oder Stroh-Engels spielen, sondern dass unsere NLZ gnadenlos liefern. Die Alten helfen auf diesem Weg den Jungen, ein gutes Profiniveau herzustellen. Am Sonntag sehen wir uns übrigens wieder – wenn sich unsere U19-Teams bekriegen.
Wie ärgerlich ist es, wenn man ein Talent an den Lokalrivalen verliert?
Van Lent: Die Sache mit Andi Hirtlreiter?
Köllner: So ist das Geschäft. Ich hätte ihn gerne behalten, aber der Spieler hat sich für Haching entschieden.
Schmidt: Eigentlich Wahnsinn, dass ein Sechzig-Talent nach Haching wechselt, das hätte es vor zehn Jahren niemals gegeben!
Van Lent: Spricht für unsere Arbeit in Unterhaching.
Apropos Haching. Laut Präsident Manni Schwabl soll es dort ja künftig keinen Streichelzoo mehr geben. Auch deswegen wurden Sie geholt, Herr van Lent. Wie oft mussten Sie die Peitsche denn schon auspacken?
Van Lent: Bisher gar nicht. Die Mannschaft hat sich vorbildlich reingehängt. Ich denke, der Manni wollte einfach was verändern. Er war es satt, wie es manchmal in der Rückrunde gelaufen ist, aber das hat nichts mit Claus (Schromm) zu tun. Keiner braucht einen Trainer, der ständig draußen rumschreit, aber vielleicht einen, der auch mal verbal die Peitsche rausholt.
Auch Sie, Herr Seitz, waren bei Haching im Gespräch.
Seitz: Mit dem Manni (Schwabl) habe ich ja damals in Nürnberg gespielt. Beziehungsweise: Der Manni hat gespielt – ich war eher der, der von der Tribüne zugeschaut hat. Auch zu Claus Schromm habe ich schon seit vielen Jahren ein sehr enges Verhältnis. Wir führen immer mal wieder Gespräche, aber es war in dem Fall nichts Konkretes. Außerdem bin ich mit meiner Aufgabe beim FC Bayern absolut zufrieden und denke an nichts anderes. Ich bin dankbar und froh, für diesen großartigen Club arbeiten zu können.
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