Ist der Stadionbesuch ansteckend?

von Redaktion

Die DFL begleitet vier Forschungsprojekte – Erkenntnisse auch für Hallensportarten

VON GÜNTER KLEIN

München – Professor Tim Meyer aus dem Saarland ist der heimliche Held des deutschen Fußballs. Der Internist der Nationalmannschaft steht der medizinischen Task Force vor, die die Deutsche Fußball Liga (DFL) im Frühjahr einberufen hat, um die Saison 2019/20 zu retten. Dies ist im „Sonderspielbetrieb“ gelungen, es geht nun ins Jahr 2020/21, es ist Herbst – und auch die Koryphäe Meyer muss einräumen, dass viele Fragezeichen im Raum stehen: „Was die Zulassung von Zuschauern in den Stadien betrifft“, sagt er, „ist fast gar kein Wissen vorhanden. Nur Meinung und Spekulation.“ Das Infektionsgeschehen in den Mannschaften kann man, so die Erfahrung, kontrollieren. Doch auch das auf den Rängen, in den Stadien, auf dem Weg dorthin?

Es gab, als im März die Epidemie sich zur Pandemie auswuchs, zwei Fußballspiele in Europa, denen man nachsagt, sie hätten sogar Todesfälle verursacht. Das waren die Begegnungen in der Champions League, der FC Liverpool gegen Atletico aus dem Corona-Hotspot Madrid, und die Auftritte von Atalanta Bergamo. „Da wurde retrospektiv aus den Infektionsereignissen in der jeweiligen Region geschlossen, dass das aus dem Fußball kommt“, sagt Professor Meyer. „Das mahnt uns.“ Und darum öffnet die Fußball-Bundesliga ihre Stadien in „beherrschbaren kleinen Schritten“. Was die DFL und der Deutsche Fußball-Bund außerdem tun können: Sie unterstützen „mit einem siebenstelligen Betrag“, so Ansgar Schwenken von der Liga, mehrere Forschungsprojekte.

Eines davon: Man will an mehreren Standorten Massentestungen von zunächst zweimal 500 Fußballbesuchern organisieren. Der Ablauf: Corona-Test vor dem Spiel, anschließend Nachverfolgung über zehn Tage, am Ende eine weitere Testung. Insgesamt soll es zwischen 20 000 und 30 000 Probanden geben. Was man herausfinden will? Wo es zu Infektionen kommt – resultieren sie aus dem Stadionbesuch oder dem normalen Alltag?

In einer Kooperation mit der Manchester Metropolitan University, die sogar einen Studiengang für „Crowd Management“, also das Leiten von Menschenströmen, anbietet, sollen Erkenntnisse gewonnen werden zu An- und Abreise rund um die Stadien, besonders im öffentlichen Nahverkehr.

Mit der Berliner Charité arbeitet die DFL zusammen, um eine neue Pool-Testmethode auf den Prüfstand zu stellen. Eine Freiburger Firma will ab Oktober Tests ermöglichen, bei denen nach 45 bis 50 Minuten die Auswertung vorliegt. Hintergrund auch: Die Kapazitäten an PCR-Tests sind knapper geworden.

Projekt Nummer vier: Die Think Health Hygiene Solutions GmbH widmet sich der Untersuchung von Aerosolen in „innenliegenden Räumlichkeiten“, so Florian Kainzinger von der Firma. Schließlich haben Stadien „Hospitality-Logen und Sanitäranlagen“, nicht immer ist man an der frischen Luft, wo das Infektionsrisiko zwanzig Mal geringer sein soll. Mit Ergebnissen rechnet man in acht Wochen. „Das ist auch auf bestimmte Hallensituationen übertragbar, alle Sportarten profitieren davon“, denkt Kainzinger an die VIP- und Gaststätten-Räumlichkeiten bei Eishockey, Handball, Basketball. Grundsätzlich rät er aber noch zu expliziten Untersuchungen für Hallen.

Für den nun anstehenden ersten Spieltag gibt es zu bedenken, „dass die Zuschauer alle ungetestet in die Stadien gehen“, so Tim Meyer, und dass man auch „vom Real-Life-Szenario ausgehen muss, dass unter mehreren tausend Menschen sich nicht alle optimal verhalten“. Zu sehen war bei den Pokalspielen in Rostock und Magdeburg, wie Fans nicht auf Abstände achteten. Es wäre aber wichtig, da Masken keine Pflicht sind, wenn man seinen Platz eingenommen hat. Tim Meyer: „Wir gehen davon aus, dass die Mindestabstände eingehalten werden.“ Der Saisonstart birgt also seine Risiken.

Klar ist, dass es nur in Trippelschritten vorangehen wird, was die Auslastung der Arenen in nächster Zeit betrifft. „Vollbesetzte Stadien“, sagt Professor Meyer, „werden erst möglich sein, wenn wir einen Impfstoff haben.“

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