Ginge es nach der UEFA, wäre die Sache wohl klar. Denn dass der Europäische Dachverband seine Vorstellungen von Fußball in Zeiten einer weltweiten Pandemie durchzieht, hat er gestern Abend bewiesen. Der Supercup zwischen dem FC Bayern und dem FC Sevilla fand im Risikogebiet Budapest – wie vor knapp drei Wochen beschlossen – vor Fans statt. Immerhin waren die Anhänger auf den Tribünen bei diesem „Menschenversuch“ (Bürgermeister Csaba Horvath) freiwillig da. Während die Spieler auf dem Rasen keine Wahl hatten.
Anders sieht das – Stand heute – bei den kommenden Länderspielen aus. Denn gelten weiterhin die Regeln, die die FIFA vor ihrer letzten Abstellperiode im September kommuniziert hat, ist die Teilnahme an einem Länderspiel in einem Risikogebiet freiwillig. Für die deutschen Nationalspieler heißt das konkret, dass ihre Clubs eine Freistellung für die Nations-League-Partie in der Ukraine verweigern dürften. Der Weltverband ist da anscheinend umsichtiger als die UEFA. Was die Sache für alle Beteiligten aber nicht unbedingt einfacher macht.
Der Zwist, der sich zwei Wochen vor dem Beginn der Länderspielpause hochschaukelt, ist der logische Beweis dafür, dass selbst eine durchorganisierte Branche wie der Fußball in einer Saison wie dieser nicht einwandfrei funktioniert. Die Interessen von Clubs, nationalen Verbänden und internationalen Instanzen könnten unterschiedlicher kaum sein. Und so wird aus allen Richtungen an den Protagonisten gezerrt, die auf dem Feld bitteschön liefern sollen. Offiziell die höchsten Güter: Gesundheit und Sicherheit der Spieler. Dass diese in der Debatte bisher noch nicht zu Wort kamen? Nur normal.
Der Ukraine-Trip des DFB-Teams ist das beste Beispiel: Die FIFA gibt die Verantwortung ab, Bundestrainer Joachim Löw will seine Besten dabeihaben – und Club-Bosse wie beim FC Bayern wären gar nicht so unglücklich darüber, wenn die Stars aus den eigenen Reihen das Schlupfloch nutzen und eine Pause bekommen würden. Sie vertreten die Meinung, dass jede Partie in dieser Mammut-Saison eine zu viel ist. Und jede in einem Risikogebiet sowieso. Man merkt: Deutlich dringlicher als die Frage, wie viele Fans am besten auf der Tribüne sitzen, ist jene, wie man diese Spielzeit überstehen soll.
Hanna.Raif@ovb.net