Der geheime Weltklasse-Boxkampf von München

von Redaktion

In einem leeren Fernsehstudio wird am Samstag die Muhammad-Ali-Trophy im Cruisergewicht vergeben

VON GÜNTER KLEIN

München – Boxen in München – oft eine große Sache. Muhammad Ali war da, die Klitschkos, Henry Maske, bespielt wurden Locations vom Circus Krone über die Rudi-Sedlmayer- bis zur Olympiahalle. Die Stadt – ein einziger großer Ring, mit Showtrainings in Einkaufszentren, Plakaten an jeder Ecke und vollen Hallen.

Diesen Samstag ist wieder großes Boxen in München – aber quasi geheim. Erst vor zwei Wochen wurde der Austragungsort bestätigt, und die beiden Hauptkämpfer kamen unbemerkt am Flughafen an, wo sie kein Star-Brimborium veranstalteten, sondern wie jeder Reisende brav ihre Masken trugen. Boxen werden sie nicht in einer der Hallen, sondern in Ismaning im Fernsehstudio von Plazamedia. Hinter verschlossenen Türen. Zuschauer sind verboten, nur die TV-Produktion darf rein. Und versorgt die relevanten Märkte in USA, Kanada, Großbritannien. In Deutschland überträgt DAZN. Das Event, von dem in München kaum jemand weiß, ist im Boxen ein Weltereignis.

Finale der Muhammad-Ali-Trophy mit Mairis Briedis aus Lettland und dem in Miami lebenden Kubaner Yuniel Dorticos. Sie sind Cruisergewichtler (die Klasse unter den ganz schweren Jungs) und in der unabhängigen Weltrangliste die Nummer eins und vier. Die Ali-Trophy ist ein vom deutschen Promoter Kalle Sauerland angeschobener Wettbewerb, in dem die Besten einer Gewichtsklasse gegeneinander antreten – was im normalen Boxbetrieb mit seiner Landschaft an Weltverbänden und Scheintiteln oft nicht geschieht, um die Bilanzen rein zu halten. Die Ali-Trophy bringt die Top Acht zusammen. Viertelfinale, Halbfinale, Finale – Turnierform. Das Finale sollte am 21. März in Riga stattfinden, Corona kam dazwischen. Nun sind 15 Monate vergangen seit dem letzten Ring-Auftritt für jeden.

„Aber es gab nicht den Hauch eines Zweifels, dass wir dieses Finale über die Bühne bringen“, sagt Promoter Sauerland. Unter den rund tausend Kämpfen, die er veranstaltet hat, habe dieser die komplexeste Organisation erfordert. „Medizin, Wissenschaft, Politik, die Dynamik des Sports – alles hat reingespielt.“

Am Donnerstag standen Briedis und Dorticos (der Kubaner mit Weltmeister-Gürtel über der Schulter) im Fernsehstudio in Ismaning, das ein Studio irgendwo auf der Welt sein könnte, und sprachen über einen Kampf, der anders sein wird als alles, was sie kennen. „Sogar bei Pausen-Raufereien auf dem Schulhof“, sagt der Lette Briedis, „steht Publikum drumherum“. Mit Unterstützung falle vieles leichter, meint er. „Wenn ich durch die Straßen von Riga laufe und mir ein Fan was zuruft, werde ich sofort schneller, sodass mein Trainer mich bremsen muss.“ Dass in München das übliche PR-Gedöns wegfällt, kommt ihm aber entgegen: „Das macht mich ruhiger, entzieht keine Energie. Ich gehe am Fluss spazieren.“

„Man kann nicht alles kontrollieren. Ich mache meinen Job“, sagt Dorticos cool. Seine Motivation: Vor dem Flug nach München war er in den USA am Grab von Ali.

Artikel 6 von 11