Die Basis in Aufruhr

von Redaktion

„Tiefgreifende Verunsicherung“: Die Fan-Szene sieht ihre Arbeit in Projekten gefährdet

Frankfurt – Ihren Unmut und ihre Befürchtungen drückten Anhänger des 1. FC Union Berlin auf einem Transparent über die ganze Länge der Gegengeraden aus. „Gelder streichen bei Fanprojekten und kleinen Vereinen, das soll es gewesen sein? Wir haben es nicht vergessen, Reformen waren Euer Versprechen“, hieß es zum Bundesliga-Auftakt der Eisernen gegen den FC Augsburg im Stadion An der Alten Försterei. In der Szene brodelt es. Neuerdings geht es nicht nur um den geforderten Wertewandel im Profifußball, sondern auch um die Fanarbeit an der Basis, die viele gefährdet sehen.

Michael Gabriel, Leiter der Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS) in Frankfurt/Main, spricht von einer bundesweiten „tiefgreifenden Verunsicherung meiner Kolleginnen und Kollegen in den Projekten und auch in den Fanszenen“. Schon vor der Corona-Krise kursierten Gerüchte, dass der DFB seine Finanzierung bei den Fanprojekten herunterfahren wolle. Zuletzt berichtete das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ von einer möglichen Deckelung des DFB-Beitrags. Zudem war von einem Ausstieg von Projekten unterhalb der 3. Liga wie in Chemnitz, Aachen, Essen und Offenbach die Rede.

Der DFB stellt dies nach einer Präsidiumssitzung anders dar. Man habe beschlossen, „einen Reformprozess zur künftigen Ausgestaltung der Fanprojektförderung zu initiieren“. Hierzu werde der DFB auf den Nationalen Ausschuss Sport und Sicherheit (NASS) zugehen.

In 68 Fanprojekten an 61 Standorten wird seit vielen Jahren wertvolle Sozialarbeit mit jugendlichen Fußballanhängern geleistet. Das Konzept wurde 2012 vom NASS überarbeitet und fortgeschrieben. Mittlerweile wird die Projektarbeit maßgeblich von den Ultras bestimmt, von denen sich viele – auch anerkannt und teilweise ausgezeichnet vom DFB – gegen Rassismus, Diskriminierung und Rechtsextremismus engagieren.

Der DFB fördert Fanprojekte in der 3. Liga und darunter mit jährlich bis zu 150 000 Euro, die Deutsche Fußball Liga (DFL) tut dies für die 1. und 2. Liga ebenfalls. Voraussetzung dafür ist, dass Kommunen und Länder den gleichen Beitrag leisten. Der DFB hat 2019 insgesamt 3,4 Millionen Euro in die Sozialarbeit vor Ort investiert.

Gerade in Corona-Zeiten, in denen nur wenige Fans ins Stadion gehen können, pflegen diese den sozialen Zusammenhalt in den Projekten und suchen dort auch Hilfe. Der größte Sportfachverband der Welt, in der Corona-Krise finanziell auch unter Druck, will von Streichungen daher derzeit nichts wissen. Er kündigte an, „die Fanprojekte entsprechend der für 2020 bewilligten Förderhöhe bis zum 30. Juni 2022 unverändert weiter fördern“ zu wollen. Die Ergebnisse des Reformprozesses sollen dann wohl bis Oktober 2021 vorliegen.  dpa

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