München – Es wehte ein eisiger Wind durch den Saal im Landgericht München 1. Und das nicht nur aufgrund der zahlreichen, vorgeschriebenen Lüftungspausen. Gestern versammelten sich hier Vertreter des Klägers Türkgücü München sowie der Beklagten Bayerischer Fußball-Verband (BFV) und Deutscher Fußball-Bund (DFB). Nach einer dreieinhalbstündigen Verhandlung vertagte die Vorsitzende Richterin Gesa Lutz das Urteil im DFB-Pokal Streit auf Mittwoch.
Hintergrund: Am 16. März musste die Regionalliga Bayern aufgrund der Coronakrise abgebrochen werden. Türkgücü München führte die Tabelle – 24 von 36 Spieltagen waren absolviert – souverän mit neun Punkten Vorsprung an. Am 5. Mai passte der BFV daher seine Statuten an: Die Münchner wurden vorzeitig zum Meister erklärt und bekamen somit die Chance auf die Lizenzierung für die 3. Liga, Schweinfurt darf im Gegenzug im DFB-Pokal antreten. Eigentlich ist die Pokal-Teilnahme nämlich dem bestplatzierten bayerischen Amateurverein, sprich dem Meister der Regionalliga vorbehalten. „Mit dieser Regelung waren seit dem 5. Mai alle einverstanden“, sagte BFV-Präsident Rainer Koch vor Gericht. Der ambitionierte Verein von Präsident Hasan Kivran offenbar nicht. Am 31. Juli trafen sich Koch und Kivran in einem Café in der Maximilianstraße. Der BFV-Funktionär wollte sich vor seinem Urlaub versichern, ob die Vereinbarung weiterhin gelte und verhindern, dass es zu einem Rechtsstreit kommt. Kivran bezeichnete jenes Gespräch in der „SZ“ aber erst kürzlich als „unverbindliche mündliche Absprache“. Eine Absprache, die offenbar an eine Bedingung geknüpft wurde. Man wolle nur dann auf das Startrecht im DFB-Pokal verzichten, wenn Schweinfurt die Rechtmäßigkeit des Aufstieg von Türkgücü nicht anzweifelt.
Da Schweinfurt jedoch beim DFB Unterlagen des Lizenzierungsverfahrens anforderte, änderte Türkgücü fortan seine Strategie. Am 11. September erwirkten die Münchner per Einstweiliger Verfügung, dass die DFB-Pokal-Partie zwischen Schweinfurt und Schalke, die eigentlich zwei Tage später hätte stattfinden sollen, gekippt wurde.
In der mündlichen Verhandlung sollte gestern geklärt werden, wer denn nun gegen Schalke antreten darf. Der BFV verteidigte seine Entscheidung und sprach von einer „fairen Lösung für alle Beteiligten“. Die Vertreter von Türkgücü stellten in Frage, warum der Grundsatz, dass der Meister der Regionalliga Bayern aufsteigt und am DFB-Pokal teilnimmt, in Zeiten der Corona-Pandemie geändert werden solle. Doch hier verpasst Türkgücü eine große Chance, sich solidarisch zu zeigen: Die Rachegelüste gegenüber den Schweinfurtern nach deren Anforderung der Lizenzunterlagen scheinen zu groß zu sein.
Türkgücü-Geschäftsführer Max Kothny war sich nach der Verhandlung „sicher, dass wir gewinnen werden“. Eine Entscheidung nach dem Motto „The winner takes it all“ wollte und will der BFV unbedingt verhindern. Schweinfurt und Türkgücü sollen beide ein Stück vom Kuchen erhalten.
Eine Argumentation, der auch Richterin Lutz im Laufe der Verhandlung immer mehr abgewinnen konnte.