München – 1:4 verloren in Hoffenheim, erste Niederlage nach der Serie von 23 Siegen – und die Anspannung steigt, wie das gestrige Training beim FC Bayern zeigte. Nach einem Foulspiel von Robert Lewandowski an Michael Cuisance herrschte dicke Luft, weil der Stürmerstar sich beim jungen Franzosen für sein hartes Einsteigen nicht entschuldigen wollte. Daraufhin petzte Cuisance bei Trainer Hansi Flick, was bei Lewandowski wiederum nicht gut ankam.
Letztendlich handelte es sich zwar nur um einen kurzen Trainingszoff, wie man ihn schon hunderte Male an der Säbener Straße gesehen hat, trotzdem lassen die Szenen kurz aufhorchen, immerhin wurde von Trainern, Spielern und Verantwortlichen seit dem Champions-League-Sieg in Lissabon stets betont, dass man in München selten eine solche eingeschworene Truppe gesehen habe.
Mit einem Sieg morgen im Supercup ohne Zuschauer im Stadion gegen Borussia Dortmund (20.30 Uhr, ZDF, DAZN) können die Gemüter des Triple-Siegers ohnehin schnell wieder beruhigt werden. Doch bis dahin werden die Themen Kadergrößer und extreme Belastung intern und extern weiter eifrig diskutiert werden – und im Falle einer erneuten Niederlage vertieft.
Die Spieler beteiligen sich nach der unerwartet frühen ersten Saisonniederlage noch nicht an diesen Diskussionen. „Wir suchen keine Ausreden. Das erwartet uns in diesem Jahr. Alle paar Tage ist ein Spiel, das wissen wir. Dementsprechend können wir nicht so viel darüber reden, dass wir kaputt sind, sondern müssen es annehmen“, sagte Kapitän Manuel Neuer. Das sieht Thomas Müller ähnlich. Er erstickte eine Belastungsdiskussion in Sinsheim im Keim: „Der Akku ist natürlich nicht zufrieden, aber ich denke nicht, dass es an körperlichen Geschichten lag. Die Diskussion brauchen wir nicht anzustoßen. Ich hatte nicht das Gefühl, dass jemandem der Schweiß schon nach 20 Minuten auf der Stirn stand.“
Dennoch war einigen Bayern-Stars in Hoffenheim anzumerken, dass ihnen die anstrengenden 120 Supercup-Minuten noch in den Knochen steckten. Trainer Flick wollte in seinem Team keine Müdigkeit erkennen: „Ich kann meiner Mannschaft in Sachen Einsatz und Wille keinen Vorwurf machen. Die Mentalität war auch heute gut. Wir haben am Donnerstag 120 Minuten gespielt und haben trotzdem gesehen, wie Thomas Müller oder Joshua Kimmich immer wieder angelaufen sind. Sie haben versucht, das Spiel noch zu drehen.“
Trotz des Fitness-Lobs kam der Triple-Trainer nicht ohne einen leisen Wunsch nach personeller Verstärkung aus, um seinen Stars Ruhepausen gewährleisten zu können: „Wir brauchen noch ein bisschen Qualität in der Breite, um dem einen oder anderen Spieler eine Pause zu geben.“
Allerdings sind diese Pausen auch immer mit Rotation verbunden – und die funktionierte in Hoffenheim hinten und vorne nicht. Der für den formstarken Leon Goretzka in die Startelf beförderte Corentin Tolisso wirkte im Mittelfeldzentrum neben Joshua Kimmich wie ein Fremdkörper und konnte das Offensivspiel nicht beleben. Alphonso Davies, der für Lucas Hernandez auf die Linksverteidiger-Position rückte, war mit den aggressiven TSG-Angreifern überfordert – wie auch Jerome Boateng, der anstelle von Niklas Süle auflief. Joshua Zirkzee war als Spitze zwar bemüht, schaffte es aber freilich nicht, im Stile eines Robert Lewandowskis Bälle zu halten und für Torgefahr zu sorgen.
In der zurückliegenden Saison verzichtete Flick weitgehend auf Rotation und ließ sein Team beinahe stets identisch zusammenspielen. Durch den Corona-Spielplan ist der Fußballlehrer nun schon fast dazu gezwungen, sein Personal regelmäßig durchzuwechseln. Flick muss bei der Aufstellung seiner Mannschaft nicht ausschließlich die Frage beantworten, welche die beste Elf sei. Er muss sich auch fragen: Wer braucht eine Pause? Die richtigen Antworten muss Flick vor dem Supercup gegen die Dortmunder finden. Gegen den BVB können die Bayern zeigen, dass das 1:4 in Hoffenheim ein Ausrutscher war. Thomas Müller: „Jetzt müssen wir damit umgehen, uns gut erholen, und am Mittwoch geht es weiter. Da haben wir die Möglichkeit zurückzuschlagen.“