München – Ein schwarzer Rollkragenpullover ist eigentlich ein eindeutiges Zeichen. Ungemütliche Zeiten verlangen nach gemütlichen Klamotten, dick einmummeln will man sich bei diesem Wetter sowieso. Hansi Flick allerdings war gestern, also am Tag vor dem heutigen Supercup gegen Borussia Dortmund (20.30 Uhr), weit weg von einer Herbstdepression. Müde sei er keineswegs, beteuerte der Bayern-Trainer, als er auf das Mammutprogramm seines Quadruple-Siegers angesprochen wurde. Und mit Blick auf das sich bald schließende Transferfenster fragte er provokativ: „Schaue ich nervös aus?“
Man muss ehrlich zugeben: Das tat er nicht. Obwohl Flick an der Säbener Straße schon durchaus rosigere Zeiten erlebt hat. Die erste Niederlage nach 32 Spielen (1:4 in Hoffenheim) ist gerade drei Tage her, die Beine seiner Spieler werden langsam schwer, auf Transfers wartet er seit Wochen vergeblich – und pünktlich zum Prestige-Duell mit dem BVB meldeten sich auch noch Leroy Sané und womöglich David Alaba ab. Während der Österreicher mit muskulären Problemen immerhin „nur“ fraglich ist, ist die Kapselverletzung im Knie für Sané der erste Rückschlag seit seinem Wechsel im Juli. Bisher gehörte der Neuzugang zu Flicks Stammformation, er war gerade dabei, sich die fehlenden Prozentpunkte nach seiner Kreuzband-OP über Spielpraxis zu erarbeiten. Die Verletzung zwingt ihn auch zur Absage beim DFB. Nach der Länderspielpause hofft Flick auf ein Comeback. Heute und auch am Sonntag gegen Hertha wird ihn Kingsley Coman ersetzen müssen. Immerhin hat der Franzose den Vorteil, nach Corona-Quarantäne frisch zu sein. Im Gegensatz zu seinen Kollegen.
„Es ist noch niemand gekommen und hat gesagt, dass er eine Pause braucht“, erzählte Flick lachend. Das allerdings mag vor allem daran liegen, dass „die Mentalität meiner Mannschaft absolut herausragend ist“. Selbst wenn „der eine oder andere etwas müde“ sein sollte: „Auf dem Platz geben sie immer 100 Prozent.“ Das sei selbst bei der Pleite in Hoffenheim so gewesen, die Flick „ärgert“. Vor allem, „weil wir die Leitlinien unseres Spiels nicht gut umgesetzt haben“. Das hat der Coach zu Beginn der Woche klar angesprochen. Er hofft auf Besserung heute Abend, in diesem Gipfel, den Uli Hoeneß als „immer wichtig und eine Herausforderung“ bezeichnet.
Die Partie kommt freilich zur Unzeit daher, am sportlichen Wert aber ändert das nichts. In mehr als 200 Ländern wird der deutsche „Clasico“ übertragen, ein Sieg würde beide Teams nach den jüngsten Pleiten aufbauen. Für die Bayern geht es zudem um den fünften Titel des Corona-Jahres, ein sechster winkt bei der Club-WM im Winter. Dann – so hofft man an der Säbener Straße – mit einem breiteren Kader.
Am 5. Oktober schließt das Transferfenster, „und ich bin sehr zuversichtlich“, sagte Flick. Namen wollte der 55-Jährige nicht kommentieren, und auch Druck baut er diesmal – anders als im Winter – nicht auf. Dem Coach ist die finanzielle Herausforderung bewusst, die das Team um Sportvorstand Hasan Salihamidzic meistern muss. „Sie machen gute Arbeit, sie versuchen alles, was möglich ist“, sagte er. Bisher war das nicht viel, aber: „Ich bin guter Dinge, wir warten ab.“
Bis dahin bleibt Flick nichts anderes übrig, als das vorhandene Personal bei Kraft und Laune zu halten. Von Dortmunds „fantastischer, junger Mannschaft“ ist er begeistert, von seiner aber noch mehr: „Wir haben Weltklasse-Spieler, die haben ihre Ziele, genauso wie der Trainer.“ Das nächste heißt: Supercup-Sieg. Und Flicks Rollkragen-Botschaft: Warm anziehen, BVB!