Zurück auf der Platte

von Redaktion

Die Handball-Bundesliga startet in eine Saison in der nur eines klar ist: der Topfavorit heißt THW Kiel

VON PATRICK REICHELT

München – Zumindest der THW Kiel und die SG Flensburg-Handewitt haben am Samstag jenes fast schon vergessene Gefühl schon einmal ein bisschen auskosten dürfen. Wie es denn ist, in den Hallen nicht mehr ganz alleine zu sein. 2100 Menschen hatten den Kieler Supercup-Triumph in Düsseldorf begleiten dürfen. Am Ende waren sich die Protagonisten einig: Bitte bald mehr davon!

Wie weit dieser Wunsch erhört wird, bleibt vorerst abzuwarten. Morgen beginnt die neue Saison der Bundesliga (HBL). Und auch für die Ballwerfer gilt, was der Ministerrat kürzlich beschlossen hat: Wo sich das Infektionsgeschehen im Rahmen hält, darf man bis zu 20 Prozent der Hallenkapazitäten befüllen. In der Tat: An den ersten vier Spielorten Hannover (19,8 Neuinfektionen/100 000 in den letzten sieben Tagen), Leipzig (6), Magdeburg (8,4) und Lemgo (8,9) werden sich die Tore der Arenen öffnen. Einzig in Mannheim, wo die Rhein-Neckar Löwen am Sonntag gegen Stuttgart ins Geschehen einsteigen, legte man sich aufs Gegenteil fest. Der Grund: Die Zeit war zu knapp um das Hygienekonzept der SAP-Arena an die 20-Prozent-Kapazität anzupassen.

Nun gut, die Szene ist sich einig: Alles ist besser als ein erneuter Lockdown, den ein größerer Teil der Liga kaum überleben würde. Große Euphorie freilich will trotzdem nirgends aufkommen. Kein Wunder, einer Erhebung des „SWR“ zufolge umfassen Zuschauereinnahmen in der HBL im Schnitt mehr als ein Viertel der Budgets. Mancherorts reichen 20 Prozent noch nicht einmal, um den Hallenbetrieb zu finanzieren. Auch bei Branchenführer THW Kiel ist das so. „20 Prozent Zuschauer helfen uns nicht weiter“, sagte THW-Aufsichtsratschef Marc Weinstock. An der Corona-armen Förde (1,6) arbeitet man intensiv an Konzepten, wie das Kontingent aufgestockt werden könnte.

Das liegt nahe, beim Abbruchmeister der Vorsaison hat man schließlich einiges dafür getan, um sportlich zurück zu alter Vormachtstellung zu kommen. Im norwegischen Kraftpaket Sander Sagosen holten sich die Kieler den vielleicht besten Handballer der Welt an Bord. Dem 25-Jährigen, über den seine Heimatzeitung „VG“ schwärmte, er springe so hoch wie ein Känguru und werfe so hart wie ein Pferd tritt, liegt man bei den „Zebras“ schon jetzt zu Füßen. Ganz plötzlich ist der THW nicht nur haushoher Favorit auf die nächste deutsche Meisterschaft. Viele sehen Kiel trotz eines durchaus heftigen 27:35-Ausrutschers gegen HBC Nantes in der vergangenen Woche auf Augenhöhe mit Europas Besten wie Barcelona, Paris oder Veszprem.

In einer Saison, die allerdings nicht nur Bundestrainer Alfred Gislason als „brutal“ bezeichnet. Die Bundesliga wurde Pandemie-bedingt auf 20 Teams aufgestockt, dazu wartet ein dichter internationaler Kalender. Auf Nationalspieler zudem die WM in Ägypten, die Olympia-Qualifikation und gegebenenfalls die Spiele in Tokio selbst. Ziemlich wahrscheinlich, dass am Ende mehr der Körper als die reine handballerische Qualität über Sieg und Niederlage entscheiden.

Wobei es nicht wenige Menschen im deutschen Handball gibt, die das sportliche Abschneiden fürs Erste eher als Nebensache sehen. „Es geht vor allem darum, dass wir wieder spielen“, sagte Berlins Manager Bob Hanning, „wir müssen den Handball wieder platzieren.“ Zumindest das scheint der Branche nun ja zu gelingen. Schon ein erster Erfolg für den man dankbar ist in ziemlich außergewöhnlichen Zeiten.

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