München – Wer im Vorfeld über Sinn oder Unsinn des Supercups gegrübelt hat, fand seine Antwort am Mittwochabend in Joshua Kimmich. Schon der Jubel nach seinem Tor, dem entscheidenden in der 82. Minute, hatte Bände gesprochen, nach Abpfiff des 3:2 gegen Dortmund ballte der 25-Jährige wieder die Fäuste und schrie seine Freude raus. Dass seine Mitspieler – nicht alle so emotional wie Kimmich – ihn irritiert ansahen? Geschenkt! Kimmich ist eben Kimmich. Und das ist für den FC Bayern Gold wert.
„Er ist ein absoluter Topprofi“, lobte Flick nach dem fünften Titel des Jahres, der letztlich vor allem zustande kam, weil Kimmich eine „Energieleistung“ brachte und seine Kollegen stetig anpeitschte. „Nie“, sagte der Bayern-Coach, gebe der Mann, der seit Thiagos Abgang mit der Nummer „6“ aufläuft, auf, und deswegen sei der Nationalspieler auch „auf einem guten Weg, einer dieser Spieler zu sein, die diesen Verein prägen können“. Das tut er freilich jetzt schon, er wird aber noch mehr gefragt sein, wenn die alten Recken um Thomas Müller, Robert Lewandowski und Co. in ein paar Jahren nicht mehr dabei sind. Dass Kimmich irgendwann Kapitän dieses Teams sein wird, gilt als beschlossen. Und allein der Supercup-Sieg reicht als Argument.
„Gefightet“ war das Wort, das Kimmich selbst bemühte, den Pokal in den Händen zu halten – und fünf Finger in die Kamera zu zeigen – fühle sich „sehr gut an“. Dass er selbst am Ende der Matchwinner war, verstärkte seine Euphorie freilich. Der Treffer zum 3:2 war kurios: Nachdem Kimmich zunächst an Marwin Hitz gescheitert war, lenkte er den Ball im Fallen und mit artistischer Einlage noch in die Maschen. „Etwas Glück“ habe er da gehabt, sagte er, aber „vorbeischießen wollte ich ihn nicht“. Selbst Manuel Neuer staunte: „Er ist stabil geblieben, chippt ihn im Fallen. Er ist ein klasse Spieler.“
Das war schon vor Mittwoch klar, wird aber immer wieder bestätigt. Allein aus dem letzten halben Jahr gibt es zahlreiche Beispiele für Partien, die ohne Kimmich womöglich anders gelaufen wären. Die Meister-Vorentscheidung brachte sein Chip-Tor in Dortmund, im Pokal-Viertelfinale auf Schalke stellte er einen Passrekord auf. Und im Champions-League-Finale bediente er Siegtorschützen Kingsley Coman. All das mit einer spielerischen Leichtigkeit, die kein Zweiter im Team verkörpert. Andere klagen über müde Beine, Kimmich sagt: „Ich bin den Rhythmus gewohnt, von daher bin ich noch fit.“
Flick sieht sich selbst da im Dilemma, denn der Coach würde seinem Regisseur gerne mal eine Pause gönnen. „Man muss da mit seinem Ärger leben, weil er immer spielen will“, erzählte er. Irgendwann allerdings, „wird es mal sein müssen“. Gegen Hertha am Sonntag? Eher nicht. hlr