Bayerns wildes Transfer-Finale

von Redaktion

Ulreich weg, Roca da, Choupo-Mouting sowie wohl Costa im Anflug – und noch viel zu tun

VON HANNA RAIF

München – Der Platz, den Sven Ulreich noch am Mittwoch in der Allianz Arena eingenommen hatte, blieb gestern leer. Das allerdings war bei Anpfiff der Partie zwischen dem FC Bayern und Hertha BSC schon keine Überraschung mehr. Denn Ulreich, der Ersatz- – oder wahlweise: Ersatz-Ersatz- – Keeper, war Inhalt der ersten Personalmeldung gewesen, die der Triple-Sieger in diesem kuriosen Transfer-Endspurt veröffentlicht hatte. Wechsel in die 2. Liga, Dreijahresvertrag beim Hamburger SV, mit dem der 32-Jährige „bald wieder in der Bundesliga spielen möchte“.

Hansi Flick hatte den Mann, der seit 2015 70 Mal das Bayern-Tor gehütet und Manuel Neuer meist gut vertreten hatte, noch persönlich angerufen. „Ich wollte ihm mitteilen, wie sehr ich die Situation bedauere“, sagte der Coach am Samstag. Die Rangordnung ganz hinten ist nun klar: Neuer ist die Nummer eins, Alexander Nübel wird nicht verliehen, sondern offiziell erster Ersatz. Auf zahlreichen anderen Positionen gab es da am Wochenende, also ein bis zwei Tage vor dem Ende der Transferfrist heute Abend (18 Uhr), noch mehr Ungewissheit.

An der Säbener Straße ging es freilich heiß her. Die Telefone von Sportvorstand Hasan Salihamidzic sowie Vereinsboss Karl-Heinz Rummenigge mussten mehrmals aufgeladen werden, buntes Treiben, so hörte man, herrschte in der Geschäftsstelle. Einen Tag vor dem Hertha-Spiel ging es vor allem um Marc Roca, den universell einsetzbaren Mittelfeld-Mann von Absteiger Espanyol Barcelona. Schon im vergangenen Jahr bei der U 21-EM hat Salihamidzic ihn für gut befunden, die festgeschriebene Ablösesumme von 40 Millionen Euro war er den Bayern aber nicht wert. Nun ist der 23-Jährige, der am Samstagabend in München landete, für unter zehn Millionen Euro zu haben gewesen (Bonuszahlungen kommen drauf). Ein Vertrag über fünf Jahres gab es für den Mann, der laut Salihamidzic „fußballerisch und charakterlich hervorragend in unsere Mannschaft passt“. Man hat schon schlechtere Geschäfte gemacht.

Überhaupt sind die Bayern ja bemüht, das Geld in Corona-Zeiten nicht herauszuwerfen. Und setzt man dieses Kriterium an, macht Salihamidzic gute Arbeit. Schon Leroy Sané kam bekanntlich für unter der Hälfte der vor einem Jahr kolportierten 100 Millionen Euro, Roca war das nächste „Schnäppchen“. Und bei Callum Hudson-Odoi hoffte man auf eine ähnliche Entwicklung. Man erinnert sich noch gut an die Worte, die Rummenigge rund zwei Jahren über das Interesse am Flügel-Juwel vom FC Chelsea gewählt hatte. „Fast schon verliebt“ sei Salihamidzic in den Engländer, sagte er. Daran hat sich nichts geändert.

Auch Flick bestätigte am Samstag: „Er ist eines der größten Talente auf dieser Position, dazu flexibel einsetzbar.“ Dass sich der FC Bayern mit einer Verpflichtung beschäftige, sei „nur legitim“. Ungewohnt offene Worte, obwohl Hudson-Odoi am Samstag für Chelsea spielte und ein Angebot abgelehnt wurde. Bayern will wohl nachbessern, Tendenz: Wird eher nichts. Neuer Name: Douglas Costa – das wäre eine spektakuläre Rückholaktion.

Als fix hingegen gilt der Transfer von Eric Choupo-Mouting (31), bis zum Sommer bei PSG unter Vertrag und zuletzt vereinslos. Der Ex-Schalker wird Backup für Robert Lewandowski, dafür soll Joshua Zirkzee noch ausgeliehen werden. Zudem bis heute Abend zu bewältigen: Der Wechsel von Javi Martinez zu Bilbao (eher fraglich), der Kauf eines Rechtsverteidigers (weiterhin Flicks Wunsch). Hier gilt Max Aarons von Norwich City als zu teuer, Bouna Sarr von Olympique Marseille als Favorit.

„Es ist zu viel. Ich bin happy, wenn das Ganze rum ist“, sagte Flick gestern, nicht mehr ganz so entspannt wie in den letzten Tagen. Namen will er erst heute kommentieren, „um 18 Uhr, wenn alles von Vereinsseite bestätigt oder eben nicht bestätigt ist“. Es bahnt sich ein wildes Transfer-Finale an, in dem viel passieren kann, auch Unvorhergesehenes. Davon kann etwa Michael Cuisance ein Lied singen. Der Ex-Gladbacher nämlich fiel wegen einer kleinen Verletzung am Knochen durch den Medizincheck bei Leeds United, das angedachte Leihgeschäft platzte. Er ist nun wohl bei Marseille im Gespräch – idealerweise in Verrechnung mit Sarr.

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