München – „Auf geht’s, Jungs“, das war der erste Satz, der gestern vom Rasen durch die leere Allianz Arena hallte. Denn auch Thomas Müller hatte bemerkt, dass der Fokus beim FC Bayern zuletzt eher auf dem Transfermarkt als auf dem Feld lag – und ein Sonntagsabend-Heimspiel gegen Hertha BSC ohnehin ein bisschen Extra-Motivation vertragen kann. Er sollte Recht behalten. Zwar sah nach zwei Treffern von Robert Lewandowski (40./51.) alles nach einem Sieg des Triple-Siegers aus. Dann aber trafen Jhon Cordoba (59.) und Matheus Cunha (71.). Die Schlussphase war verrückt: 3:2 Lewandowski (85.), 3:3 Jessic Ngankam (88.), 4:3 Lewandowski per Strafstoß (90.+3). Der Jubel: Laut, sehr laut.
Hansi Flick hatte nach der Niederlage in Hoffenheim eine klare Reaktion gefordert, egal, ob die Beine und die Köpfe nach dem Supercup-Sieg gegen Dortmund noch schwerer bzw. müder geworden waren. Die Partie gegen Berlin war wieder ein Stück Arbeit, am Ende wäre auch ein Unentschieden gerecht gewesen. Aber die Bayern gaben nicht auf – und haben halt Lewandowski. „Ich habe ihm vor dem Spiel gesagt, er soll mal anfangen zu zünden“, sagte Leon Goretzka: „Da hat er sich wohl angesprochen gefühlt.“
Schon am Samstag hatte Flick davon gesprochen, dass die Situation mit Blick auf die Personallage keine leichte sei. Nach Leroy Sané musste auch Kingsley Coman passen, zahlreiche andere Akteure brauchten mal eine Pause. Die Rotation war also keine Überraschung, für Niklas Süle, Javi Martinez, Corentin Tolisso und Coman kamen Jerome Boateng, David Alaba, Leon Goretzka und Serge Gnabry in die Startelf. Auch Benjamin Pavard nahm auf der Bank Platz – und der 20 Jahre alte Chris Richards freute sich über sein Startelf-Debüt. Er fügte sich gut ein in die Mannschaft, er musste aber genauso ackern wie alle.
Die Berliner hatten einen relativ guten Matchplan. Zwar waren die Bayern öfter am Ball und bestimmten das Geschehen, zwingend allerdings wurden sie lange nicht. Die beste – sogar eine sehr gute – Chance hatte Lewandowski, der von Leon Goretzka bedingt aus acht Metern am Hertha-Keeper Alexander Schwolow scheiterte (10.). Wie gefährlich es werden kann, wenn Berlin aus seinem disziplinierten Defensivverhalten Profit schlägt und nach vorne kommt, sah man kurz später. Cordoba allerdings traf aus Abseitsposition (14.).
Zwingend wurden die Gastgeber erst nach und nach. Weil Hertha zentral gut stand, ging es immer wieder über die Außen Gnabry und Alphonso Davies (diesmal offensiv). Thomas Müller (22.) und Joshua Kimmich (25.) machten Druck, als der Ball zum vermeintlichen 1:0 im Netz zappelte, entschied der VAR auf Abseitsposition von Müller (36.). Und so machte es halt doch wieder Lewandowski. Europas Fußballer des Jahres scheiterte per Kopf an Schwolow, nutzte die darauffolgende Gnabry-Flanke aber zur Führung. Nach der Pause machte er weiter. Richards bediente von rechts, der Pole nahm an, drehte sich und feuerte ab. 2:0.
Berlin hätte fast im Gegenzug schon zugeschlagen, aber Cunha konnte Neuer nicht überwinden. Allerdings Cordoba per Kopf. Flick wechselte drei Mal, Berlin nutzte die Umstellungsphase zum 2:2. Diesmal traf Cunha, die Bayern-Abwehr sah nur zu. Man hoffte auf ein Last-Minute-Tor, Lewandowski gelang es. Dann aber traf auch Ngankam. Nachspielzeit, Elfmeter Lewandowski: 4:3. Seine Liga-Treffer 100 bis 103 retteten die Bayern. Durchatmen. Länderspielpause, und „danach müssen wir wieder anfangen, gut Fußball zu spielen“, sagte Flick. Zufrieden mit dem Spiel war kaum einer. Aber mit dem Ergebnis.