München/Köln – Drittes Länderspiel der Saison und der Seit-Corona-Zeit – und wieder ein Ärgernis. Die freundschaftliche Begegnung mit der Türkei konnte das Team von Bundestrainer Joachim Löw trotz dreimaliger Führung nicht gewinnen. Endstand 3:3 – wieder klingelte es am Ende im deutschen Kasten.
Über Sinn und Unsinn von Testspielen wird in Zeiten, in denen schon der Pflichtbetrieb überbordend ist, beherzt debattiert. Joachim Löw verteidigt einen Termin wie den gestrigen gegen die Türkei mit dem Hinweis darauf, dass er womöglich Spieler findet, „die in ein paar Monaten in der Startelf spielen oder unseren Kader verstärken können“. Er brachte mit den Mönchengladbachern Florian Neuhaus und später Jonas Hofmann sowie in der Schlussphase dem Dortmunder Mo Dahoud drei Debütanten und außerdem etliche Akteure mit noch überschaubarer internationaler Karriere. Ganz sicher war eine Partie in Köln aber eine Gewöhnung an Platz und Stadion – denn, auch das gab es noch nie, man wird schon in einer Woche wieder in Müngersdorf aufschlagen – dann gegen die Schweiz um Punkte in der Nations League.
300 Zuschauer hatten Einlass gefunden in Köln, einer der Städte mit gerade nicht so guten Corona-Infektionszahlen, der Abend kam, obwohl der DFB eine Kurve mit einer stummen Choreografie eingekleidet hatte, recht geisterspielartig rüber. „Absolut schade“ fand Löw das. „Gegen die Türkei war immer unglaubliche Stimmung.“ Da musste es nicht um irgendwas gehen, die Begegnungen waren sonst ausverkauft und laut. Nun nur vereinzelte „Türkiye“-Rufe.
Auch ohne den gewohnten Sound verstanden die Türken es aber, der DFB-Elf das Leben schwer zu machen. Sie liefen die Deutschen früh an, setzten sie bereits an deren Strafraum unter Druck – man musste da hinten erst einmal rauskommen. Wenn es gelang, dann meist über die rechte Seite, auf der Benjamin Henrichs aus Leipzig ansprechende Szenen hatte. Er leitete sogar ein Tor ein – Julian Draxler verwertete einen Abpraller –, das nur nicht gegeben wurde, weil Schütze Draxler eine Schuhspitze im Abseits gestanden war.
Das unstrittige Tor holte Draxler, der diesmal Kapitän war, aber kurz vor dem Halbzeitpfiff nach. Endlich kam die deutsche Mannschaft nach einer Balleroberung von Henrichs ins Tempo, da lief der Ball über Brandt und Kai Havertz zum losgesprinteten Draxler, der Türkei-Torwart Günok stilvoll überwand. Das 1:0 zur Pause ging in Ordnung, der DFB hatte ein Chancenplus. Die Türkei war bei einem Freistoß gefährlich gewesen (11.), die Deutschen hatten als Pluspunkte einen Außennetz-Schuss von Nico Schulz und einen Pfostenstreichler von Luca Waldschmidt stehen.
Umgang mit Führungen – dieses Thema hatte der Bundestrainer auf die Agenda gesetzt, weil seine Mannschaft in den Nations-League-Spielegen gegen Spanien und Schweiz trotz günstigen Verlaufs nicht als Sieger vom Platz gegangen war. Fünf Minuten nach Beginn der zweiten Halbzeit wusste er dann: Die Sache wird seine Elf nicht los. Da genügte ein Ballverstolperer von Schulz, und Tufan, der türkische Kapitän, kam zum Schuss – abgefälscht über DFB-Keeper Leno hinweg zum 1:1 (50.).
Die Reaktion darauf war gut: Neuling Neuhaus schoss stramm mit links nach Doppelpass mit Havertz zum 2:1 ein (58.), kurz danach wäre Brandt nach schwungvoller Kombination fast das dritte deutsche Tor gelungen. Stattdessen: das türkische 2:2 (67.). Emre Can ärgerte sich darüber massiv, denn Efecan Karaca hatte sich den Ball mit einem zu rustikalen Einsatz geholt. Schiedsrichter Bastien ließ es durchgehen.
Da wirkte es dann erst mal gerecht, dass Löws Elf den Weg zum 3:2 fand. Luca Waldschmidt, im Sommer 2019 Star bei der U21-EM, setzte einen trockenen Volleyschuss ins Netz. Sein erstes Länderspieltor. Die Vorlage kam von Robin Gosens, der ja auch noch frisch ist. Doch die Endphase – herrje: Türkischer Lattenschuss (87.) und in der Nachspielzeit das 3:3. Typisch.