Fußball im Olympiastadion

33 Jahre waren kein Leben

von Redaktion

GÜNTER KLEIN

Man muss Türkgücü München aufgrund seiner Investoren-Aggressivität, mit der es auf den Markt drängt, und wegen seines Vorgehens bei der Beanspruchung auf einen Platz im DFB-Pokal nicht gut finden – aber: Dieser Verein bringt den Fußball ins Olympiastadion zurück. Ob man ein Spiel der 3. Liga in einem so weitläufigen Areal unter den Corona-Beschränkungen mit wenigen oder vorerst gar keinen Zuschauern wirklich genießen will, sei dahingestellt. Doch schon der Gedanke, dass im Olympiapark sich etwas in diese Richtung tut, lässt das Nostalgikerherz im Nostalgikerleib hüpfen.

Weil: Dem Olympiastadion ist Unrecht geschehen. Lediglich von 1972 bis 2005 hat es Heimstatt des Fußballs sein dürfen. 33 Jahre sind kein Leben, wenn man bedenkt, wie lange es andere große Stadien schon gibt: Anfield (seit 1884), Old Trafford (eröffnet 1910), Giuseppe-Meazza-Stadion (die Geschichte begann 1926) – immer hat man einen Weg gefunden, den jeweiligen Zeitgeist einziehen zu lassen. Wenn die Allianz Arena auch mit 33 stillgelegt würde, hieße das: Schluss 2038 – und in etwa zehn Jahren begänne das Mosern der Bayern-Granden: veraltet, unprofitabel. Wer öfter im Olympiastadion war und dieses als durchaus kultig empfunden hat (die Südkurve mit ihrem Trompeter, hach!), der konnte eh nie verstehen, mit welcher emotionalen Kälte Münchens führender Club dem Stadion, das ihn mal reich gemacht hatte, begegnete.

In ein Stadion vom Zuschnitt des Wunderwerks unter dem Zeltdach gehört Leben. In diesem, dem Corona-Jahr, konnten es nicht mal die Großkonzerte liefern. Durch die European Games 2022, der Reminiszenz an die Olympischen Spiele, wird die Leichtathletik dorthin zurückkehren, wo Klaus Wolfermann den Speer auf 90,48 Meter schleuderte und die 16-jährige Ulrike Meyfarth 1,92 Meter übersprang. Doch der nachhaltigste Teil der Geschichte des Olympiastadions ist eben der Fußball. Andere Nutzungen gehen nicht. Am peinlichsten war der Versuch, die Motorserie DTM dort stattfinden zu lassen, wo Beckenbauer und Cruyff 1974 die Weltmeisterschaft ausgespielt hatten. Etwas Ordinäreres und Widersinnigeres als das PS-Dröhnen, das in Moosach und Schwabing das Geschirr in den Schränken scheppern ließ, hat das Olympiastadion nicht erlebt.

Fußball indes fügt sich ein. Er wird wieder gespielt. Von wem, ist nebensächlich.

Guenter.Klein@ovb.net

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