München – Monatelang überlegen sich die 31 Clubs der nordamerikanischen Eishockey-Profiliga NHL, welche Talente aus aller Welt sie in sieben Ziehungsrunden für sich auswählen – und dann kommt im letzten Moment Hektik rein. Und alles wird umgeworfen.
So kam es beim virtuellen Draft zu einem virtuellen Deal zwischen den Buffalo Sabres und den San Jose Sharks. Die Sabres waren überrascht, dass John-Jason Peterka, 18, aus München nach der ersten Runde noch verfügbar war. Also wollten sie ihn in der zweiten haben. Sie wären aber erst an siebter Stelle (mit Nummer 38 insgesamt) dran und der begehrte Deutsche dann wohl weg gewesen. Zwischen Draft-Pick Nummer 33 und 34 ein Angebot aus Buffalo nach San Jose: Lasst uns auf die 33, wir geben euch dafür unsere 38 und legen die 100 (vierte Runde) obendrauf. Okay, sagten die Sharks – und Sekunden später verkündeten die Buffalo Sabres, sie seien stolz, John-Jason Peterka wählen zu dürfen.
Da war der derzeit wegen Spielpraxis nach Salzburg verliehene Münchner mit der Welt versöhnt. In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch hatte er an der Seite seiner Eltern vergeblich gehofft, in der ersten Runde gedraftet zu werden. „Ich war schon enttäuscht“, sagte er. Er trat dann noch einmal an in Anzug und Krawatte – am Nachmittag von Draft-Tag zwei. „Es freut mich, dass die Sabres sich so sehr um mich bemüht haben, dass sie sogar ein Draft-Recht tauschten.“
Buffalos erste Wahl war der Kanadier Jack Quinn gewesen (Platz 8), ein im Nachwuchseishockey mit starken Torbilanzen aufgefallener Stürmer. Wer dieser Peterka ist, das müssen die Medien in Buffalo noch herausfinden. Spontan musste er per Videocall seine erste Pressekonferenz geben. Er beschrieb sich als Spielmacher mit Scoring-Fähigkeiten, der auf Ratschläge von Derek Roy hört. Ein NHL-Veteran, der seit einem Jahr in München spielt. „Es ist unglaublich neben ihm. Auch auf der Bank und im Training.“
Beeindruckt haben die Scouts Peterkas Vorstellung bei der Junioren-WM zur Jahreswende und seine fulminanten Punktebilanzen, als er mit der Red-Bull-Akademie in der tschechischen Juniorenliga mitspielte (bis 2019). In seinem ersten Profijahr in der DEL sahen sie ihn in einer noch nicht so tragenden Rolle. Dass einer mit 17 schon gegen Erwachsene spielt, ist in Nordamerika auch unüblich. Doch die deutschen Jungstars Tim Stützle (Mannheim), Lukas Reichel (Berlin) und eben Peterka waren diesen Weg bewusst gegangen. „Das DEL-Jahr“, meint Stützle, „hat mir unheimlich weitergeholfen.“ Peterka glaubt, „dass ich im Defensivverhalten und in den Zweikämpfen dadurch besser geworden bin“.
In den nächsten Tagen wird abgeklärt, wie die Sabres mit Peterka planen: Könnte er es direkt in die NHL schaffen, die wohl am 1. Januar wieder loslegen wird? Schicken sie ihn erst einmal ins Farmteam in die American Hockey League, so die denn in der Zeit von Corona überhaupt spielen kann? Belassen sie ihn beim EHC München, wo er einen Vertrag bis 2023 hat? Sind Wechsel derzeit überhaupt möglich? Es ist Ausnahmezustand.
In Buffalo träfe Peterka auf eine kleine deutsche Kolonie. Trainer der Sabres ist der Deutschkanadier Ralph Krueger, der vor der Trading Deadline im Winter schon Dominik Kahun, den deutschen Silbermedaillengewinner von 2018, holte (aus Pittsburgh). Kahun, der trotz seines Talents nie gedraftet wurde, verließ München vor zwei Jahren, er und Peterka sind sich aber im Sommer beim Training in München begegnet (Kahun war Gast beim EHC). Mit Krueger hatte Peterka ein erstes Telefonat. Den NHL-Sprech hatte er schnell drauf: „Ich bin jetzt Teil der Buffalo Sabres.“