Joachim Löw wird auch bei den nächsten Länderspielen im November Bundestrainer sein. Und bei der EM 2021. Er macht nicht den Eindruck, einen Anlass zum Rücktritt zu sehen. Und der DFB wird das Arbeitsverhältnis von seiner Seite aus nicht kündigen, denn in einer Zeit, in der den Verband Steuernachzahlungen belasten, kann er sich es nicht leisten, zwei Vertragsjahre einfach auszuzahlen. Zudem hat der DFB genügend mit anderen hausgemachten Problemen zu tun als mit sportlichen. Und man sollte in der Beurteilung der Arbeit von Joachim Löw auch fair bleiben: Was lässt ein Länderspieljahr, das es zu drei Vierteln gar nicht gegeben hat und das nun in einem unsinnigen Endspurt noch alles mitnehmen will, was terminlich reinpasst, überhaupt für Rückschlüsse zu?
Dennoch: Eine Diskussion um Löw ist unbestreitbar in der Welt. Die Resultate – fünf Spiele, vier Unentschieden, aber keine Niederlage – reichen eigentlich nicht aus, um sie zu tragen. Es ist eher eine Gefühls- und Bauchsache, die die Basis der Fußballinteressierten veranlasst, ihren Zweifel am Bundestrainer auszudrücken. Man traut es ihm nicht zu, nach den vielen Amtsjahren noch einmal eine Mannschaft zu entwickeln, wie sie bei den Weltmeisterschaften 2010 und 2014 auftrat. Man hatte einen Wechsel nach der von Fehlern begleiteten WM 2018 als unerlässlich erachtet.
Ausgerechnet im Bemühen, den Neuaufbruch glaubhaft zu markieren, hat Joachim Löw den gravierendsten Fehler seiner Amtszeit begangen: Er hätte mit Thomas Müller, Mats Hummels, Jerome Boateng anders verfahren müssen. Ja, im Frühjahr 2019 war es legitim, daran zu zweifeln, ob diese drei noch ins Nationalteam gehören. Doch verdienten Weltmeistern muss man die Gelegenheit geben, den Schritt des Abschieds selbst zu vollziehen. Oder man gestaltet es nicht so ultimativ, sondern unterstellt die Spieler – wie es auch sein soll – dem Leistungsprinzip: Die Tür bleibt offen, aber ihr müsst besser werden.
Die Entschiedenheit, mit der Löw vorgegangen ist, erschwert ihm die Umkehr in dieser Frage. Sie würde ihm nicht als Größe ausgelegt. Es hieße vielmehr: Der Jogi ist umgefallen – oder er wurde von oben zurückgepfiffen Die Beziehung zu ihm ist kompliziert geworden.
Guenter.Klein@ovb.net