„Die Ampel ist von Grün auf Orange und Rot gegangen“

von Redaktion

EISHOCKEY Der Schweizer CHL-Chef Martin Baumann zur Absage der Champions League – „Alles wird auf null gestellt“

München – Keine Champions League im Eishockey – wie kam es zu der Absage? Wie reagierte der EHC München? Und was bedeutet das alles für den internationalen Sport? Müsste die Champions League im Fußball dann nicht auch gefährdet sein? Fragen an Martin Baumann, den Schweizer CEO der Champions Hockey League (CHL).

Herr Baumann, wie kam es zur Absage der CHL-Saison?

Wir haben uns mit dem Thema über Wochen und 24 Stunden jeden Tag beschäftigt. Ich habe dazu eine Risikoanalyse mit den Restriktionsbestimmungen aller in der CHL vertretenen 13 Länder erstellt und gesehen: Die Situation wurde von Tag zu Tag schlechter. Jetzt haben wir in der Schweiz trotz aller Schutzkonzepte die ersten beiden von Corona-Fällen betroffenen Teams, Tschechien ist in Sport und Kultur in einem kompletten Lockdown gegangen – also ein weiteres Land, das uns weggefallen wäre. Wir haben die ausgelosten Partien angeschaut und sie über die Reise-Erfordernisse beurteilt, und bei immer mehr Spielen ist die Ampel von Grün auf Orange und Rot gegangen. Es war unrealistisch, dass wir im November spielen.

Was waren die Hauptbedenken?

Wir haben sehr unterschiedliche Bestimmungen in den Ländern. In der Schweiz etwa muss bei einem positiven Fall nur der Spieler in Isolation, in Schweden das ganze Team. Für finnische Mannschaften gilt, dass sie bei der Rückkehr aus dem Ausland einen negativen Covid19-Test vorweisen und zudem drei Tage in Quarantäne gehen müssen. Da könnten sie ihr nächstes Spiel in der Liga nicht bestreiten. Umgekehrt könnten Mannschaften aus Finnland problemlos zurück in ihre Länder reisen. Wir haben darum in unseren Szenarien sogar Spiele getauscht. Die beiden Red-Bull-Teams aus München und Salzburg, die Heimrecht gegen Ilves und Tappara Tampere gehabt hätten, wären bereit gewesen, die Spiele in Finnland auszutragen. Auswärts oder zuhause – das hätte für sie keine Rolle gespielt bei der derzeitigen Zuschauersituation.

Die Vereine wollten also mehrheitlich spielen?

Es gab keine Clubs, die kategorisch sagten, dass sie nicht dabei sein wollten. Für einige ist die CHL die große Musik. Trotzdem waren wir am Ende komplett einstimmig bei der Absage. Die Reaktionen aus ganz Europa bestätigen uns, dass wir mit Vernunft und kühlem Kopf gehandelt haben. Wenn wir es mit der Brechstange versucht hätten und gescheitert wären, würden wir an Glaubwürdigkeit verlieren und uns lächerlich machen. Die Quarantäne-Fälle kommen – und die nationalen Ligen lassen für den internationalen Spielbetrieb keine Ausweichtermine übrig.

Wie geht es in der CHL nächstes Jahr weiter?

Wir schreiben diese Saison Verluste, aber der konservative Aufbau unseres Produktes und die Tatsache, dass wir die Verträge mit unserem Partner Infront bis 2027/28 abgeschlossen haben, kommen uns zugute, Mir würde grauen, wenn ich jetzt in die Verhandlungen müsste, das wäre das nackte Chaos. Was das Startrecht für nächste Saison betrifft: Das Ranking der Ligen bleibt bestehen, die DEL hat vier Startplätze, doch alles wird auf null gestellt, die Qualifikation für die CHL-Plätze beginnt neu.

Und wenn eine Liga gar nicht spielen kann? Der DEL droht dies ja.

Dann wird das CHL-Board entscheiden.

Nächste Woche beginnt die große Champions League im Fußball. Ihre Prognose?

Da gibt es einige Unterschiede zu uns, und sie haben mit dem lieben Geld zu tun. Fußballteams haben die Möglichkeit, Charter zu fliegen. Sie sind in ihrer Bubble und reduzieren Außenkontakte. In der Stadt können Sie ein ganzes Hotel für sich buchen und Einzelzimmer belegen – das ginge bei uns im Eishockey enorm ins Geld. Und auch die Testerei ist einfacher für den Fußball, weil er größere Zeitfenster in den lokalen Ligen hat als wir. Bei uns kann es sein, dass eine Mannschaft am Morgen des Tages vor der Abreise zum CHL-Match getestet wird, sie am Abend aber noch ein Ligaspiel und neue Kontakte hat – das Testergebnis wäre obsolet.

Interview: Günter Klein

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