Bielefeld – Der Blick auf die Inzidenzwerte begleitete Samir Arabi (41) durch die Woche. Aber es hilft ja nichts. Weil auch in Bielefeld die Corona-Zahlen steigen, muss das Spiel des Jahres gegen den FC Bayern vor komplett leeren Rängen stattfinden. Der Geschäftsführer Sport von Aufsteiger Arminia bedauert das freilich, aber hat einen Plan: Einfach in der Liga bleiben – dann gibt es das Duell auf der Alm auch im kommenden Jahr. Im Interview erzählt er, wie das gelingen soll.
Herr Arabi, ausgerechnet gegen Bayern müssen die Fans draußen bleiben – doppelt bitter, oder?
Das stimmt. Gegen die wohl beste Mannschaft Deutschlands und Europas, ist es so oder so sehr schwer. Aber ohne Heimfans macht es die Sache nicht einfacher. Vor allem für die Bielefelder tut es mir leid, für all diejenigen, die jahrelang darauf gewartet haben, ein Heimspiel gegen den FC Bayern zu besuchen.
Es heißt: Um oben zu bleiben, muss man auch mal die Großen ärgern. Ist das die perfekte Gelegenheit?
Auch wir haben uns angeschaut, gegen wen die anderen Mannschaften, die in den letzten Jahren aufgestiegen sind, ihre Punkte geholt haben. Natürlich muss man gegen die direkten Konkurrenten punkten. Aber nehmen wir jetzt mal Union Berlin als Beispiel: Sie haben zu Hause – natürlich mit Unterstützung der Fans – mit einer Art Pokalspiel-Mentalität Dortmund und Gladbach geschlagen. Im Jahr davor ist das Fortuna Düsseldorf gelungen, komischerweise gegen die beiden selben Gegner. Das sind Bonuspunkte, die du dir holen kannst. Aber da reist am Samstag noch mal eine andere Qualität an als Leipzig, Dortmund, Gladbach. Da kommt ein Gigant! Das muss man realistisch sehen.
Klammern Sie das Spiel aus – wie viele andere Bayern-Gegner auch?
Wir sagen auf keinen Fall: Wir lassen das Spiel über uns ergehen. Wir tauschen nicht schon vor dem Anpfiff die Trikots. Trotzdem wissen wir: In 50 Duellen gegen Bayern würden wir vielleicht einmal gewinnen.
Aber dieses eine Mal kann es ja geben.
(lacht) Deshalb freuen wir uns und erstarren nicht in Ehrfurcht. Wir haben den nötigen Respekt. Aber wir sollten uns trotzdem wehren und nicht Spalier stehen. Das heißt: Kämpfen, kratzen, beißen – und versuchen, über die eine oder andere Möglichkeit eine kleine Sensation zu schaffen. Wenn es andersrum rausgeht, ist es aber das Normalste von der Welt.
Erwischt man die Bayern gerade besonders gut? Stichwort: Müdigkeit.
Das ist völlig egal, sogar ein Pokalspiel zwei Tage vorher hat kaum Einfluss. Bei Bayern ist genügend Qualität vorhanden. Selbst ihre B- oder C-Elf würde 34 Spieltage um die Meisterschaft mitspielen.
In München geht es gerade viel um müde Köpfe. Ihr Team muss immer an die Grenze gehen, um mithalten zu können. Hat Bielefeld Bayern etwas voraus?
Das ist die Basis des Fußballs. Und die Erfolge, die die Bayern in den vergangenen Monaten erreicht haben, schafft man nicht nur mit Tiki-Taka. Trotzdem ist das, was jetzt passiert, nur menschlich und sympathisch. Wenn man das alles erreicht hat und dann zurück im Liga-Alltag ist, ist der Kopf einfach müde. Für uns ist es eine Grundvoraussetzung, jedes Wochenende an unser Leistungsmaximum zu kommen. Trotzdem will ich unsere Mannschaft nicht darauf reduzieren. Wir waren in den letzten Jahren immer in einem körperlich richtig guten Zustand. Das ist ein Plus für uns, das können wir in die Waagschale werfen. Auch am Samstag.
Sie haben vor dem Liga-Start ein Bild geprägt, das Sie seitdem verfolgt. Bereuen Sie es schon?
Sie meinen das des Bielefelder Paddelboots?
Exakt.
Nein, das bereue ich nicht, denn es spiegelt die Realität sehr gut wider. Wir wollen nicht auf die Tränendrüse drücken, sondern um ein bisschen Verständnis für unsere Situation in der Liga werben. Wir haben am wenigsten Geld ausgegeben von allen, trotzdem haben wir uns in der 2. Liga schon gegen deutlich finanzkräftiger Vereine durchgesetzt. Das Paddelboot kann ja trotzdem ins Ziel kommen, wenn das eine oder andere Motorboot in schwere See gerät.
Die Bayern haben aber eine Jacht.
Richtig. Und – um in der Sprache zu bleiben – jetzt haben wir einen Vergleich, vor dem wir sagen müssen: Die Beiboote des FC Bayern sind besser als unser Paddelboot. Das ist aber nicht schlimm. Wir haben jeden Tag Freude daran, in der Regatta mit den großen Jachten an den Start gehen zu dürfen.
Seit der Transferphase hat ihr Paddelboot einen Motor, mit wie vielen PS?
Schon ein paar mehr. Hoffentlich mehr, als der eine oder andere glauben wird.
Was stimmt Sie optimistisch, dass Sie es besser machen als Fürth, Braunschweig und Co.?
Dass sich das Gefühl, dass ich vor dem Start hatte, in den ersten drei Spielen bestätigt hat. Dass wir trotz des wirtschaftlich großen Unterschieds einen verschworenen Haufen haben, der konkurrenzfähig ist. Die Art und Weise, in der das Trainerteam die Mannschaft Fußball spielen lässt, gibt mir ein gutes Gefühl, dass wir eine realistische Chance haben, bis zum Ende um den Klassenerhalt zu spielen.
War es eigentlich ein gutes Jahr, als Neuling einen Bundesliga-Kader zusammenzustellen, weil alles für alle neu war?
Nein. Es war ein herausforderndes Jahr. Wie alle anderen haben wir weniger Einnahmen als kalkuliert. Kleine Gedankenspiele zu kleinen Ablösesummen sind Corona zum Opfer gefallen.
Wie viele neue Kontakte haben Sie heuer in Ihr Handy eingespeichert?
Einige. Aber auch über Handykontakte hinaus wäre es fahrlässig zu behaupten, dass man nicht mehr dazu lernt. Man sollte in diesem Geschäft nur versuchen, keinen Fehler zwei Mal zu machen. Ich bin schon relativ lange dabei, trotzdem ist die Bundesliga neu für mich. Ich habe andere Verhandlungspartner, auch international. Da sitzt man schon mit anderen Leuten am Tisch – oder redet am Telefon.
Würden Sie gerne mal einen Tag, eine Woche, eine Transferperiode mit Hasan Salihamidzic tauschen?
Grundsätzlich: Ich bin nicht auf der Flucht, sondern total happy. Aber ich finde es schon spannend, mal zu sehen, wie die großen Vereine der Liga arbeiten. Das muss nicht mal Hasan Salihamidzic sein, auch Max Eberl finde ich spannend, weil er seit Jahren hervorragende Arbeit in Gladbach macht. Von Austausch profitiert man doch nur. Zu meinen Anfängen war das immer ein Thema, ob sowas mal möglich ist. Ich hätte sicherlich gerne mal beim FC Bayern ein Praktikum gemacht, vielleicht hospitiert. Ohne mich da um einen Job zu bewerben (lacht).
Wenn Sie sich einen aussuchen dürften: Welcher Bayer passt nach Bielefeld? Was braucht man als Bielefelder?
Die Stadt, die es angeblich nicht gibt, ist gar nicht so schlecht, wie man glaubt. Und es soll nicht negativ klingen, aber man braucht hier Sturheit, Hartnäckigkeit, Durchsetzungsvermögen.
Da würde Joshua Kimmich passen.
Gerne, er kommt immer wie ein Muster-Profi rüber. Wenn ich ihn klonen könnte, würde ich ihn nehmen. Sogar auf mehreren Positionen (lacht).
Finanziell haben Sie einen anderen Rahmen. Sie regten zuletzt eine Debatte um die Verteilung der TV-Gelder an. Die Bayern sind da anderer Meinung.
Solche Themen werden ja zum Glück unter dem Dachverband DFL in der Gruppe thematisiert. Es gibt verschiedene Ideen und Ansätze, aber man hat ja gesehen, dass Vereine wie Fürth oder Paderborn aufgrund der wirtschaftlichen Schere kaum eine Möglichkeit haben, sich zu etablieren. Trotzdem teile ich auch die Argumente des FC Bayern München, dass sie als Aushängeschild sehr wichtig sind.
Wie abhängig sind Sie von den TV-Geldern?
Alle sind auf ihrem Niveau von den TV-Geldern abhängig. Ich bin weit davon entfernt, einen Wunsch wie Fortuna Düsseldorf zu äußern, die von Gleichverteilung sprechen. Ich sehe nur die Sorgen und Ängste, mit der sich viele Vereine beschäftigen. Und am Ende müssen wir uns alle überlegen, ob es für die Liga Sinn macht, dass ein acht Jahre altes Kind keinen anderen Meister als den FC Bayern kennt. Es ist nicht alles falsch – aber auch nicht alles richtig. Ich bin ein Freund des Austauschs.
Interview: Hanna Raif