Wenn der Bierhimmel geschlossen hat

von Redaktion

Der Weltcup-Auftakt der Alpinen in Sölden steht ganz im Zeichen der Corona-Krise

VON ELISABETH SCHLAMMERL

Sölden – Eine Treppe führt in die Tiefe, dorthin, wo von zwei Seiten gleich Menschen aufeinandertreffen werden, die sich eigentlich nicht begegnen sollen. Es geht noch einen langen Gang entlang, vorbei an Abstellplätzen für Autos, dann einmal um die Ecke und da nähern sich auch schon ein paar Männer und Frauen in einheitlichen Skianoraks und schwarzem Mund-Nasen-Schutz. Ein wenig erinnert diese skurrile Szene im Untergrund von Sölden an einen Agententhriller. Die Gemeinde kennt sich zwar aus mit diesem Genre, schließlich war das Ötztal Drehort eines James-Bond-Streifens, aber in der Hotel-Tiefgarage wird kein Film gedreht, sondern es ist die vom Veranstalter des Ski-Weltcups eingerichtete Interview-Zone. Beim Pressetermin der deutschen Mannschaft muss niemand Sorge haben, dass die Abstandsregeln nicht eingehalten werden. Nur zwei Fernsehteams und zwei Journalisten sind gekommen. „Strange“, seltsam, sagte Lena Dürr aus Germering, die am Samstag beim Riesenslalom bereits zum neunten Mal in Sölden startet. „Es ist so ruhig hier.“ Nicht nur in der Tiefgarage.

In den Tagen vor dem Weltcup-Auftakt herrscht hier normalerweise rege Betriebsamkeit. Die ersten Party-Touristen stimmen sich in Après-Ski-Bars, die Bierhimmel, Hasenstall oder Rodelhütte heißen, auf das Wochenende ein. Die Skifirmen präsentieren ihre Athleten, dicht gedrängt in Sportgeschäften oder bei Pressekonferenzen. Und auf der Straße durch Sölden kommt man nur im Schritttempo vorwärts. Jetzt haben Bierhimmel, Hasenstall und Rodelhütte geschlossen. Viele Hotels ebenfalls. Touristen sind so gut wie keine da.

Die Athleten und Athletinnen sollen die Hotels nur im Auto zur Fahrt rauf auf den Gletscher oder eben zum Medientermin in die Tiefgarage verlassen. Ähnlich ergeht es all denjenigen, die den Ski-Weltcup begleiten. Man darf nur dort essen und wohnen, wo es der Veranstalter erlaubt. Die einzelnen Gruppen sind streng getrennt, treffen nur – mit Abstand und Maske – in der Mixed Zone aufeinander. Und natürlich muss jeder getestet sein. Am Freitag gab es bereits den ersten Corona-Fall. Ein schwedischer Trainer wurde positiv getestet.

Am Wochenende soll möglichst der Sport wieder im Fokus stehen. Der neue Winter beginnt bei den deutschen Frauen mit einem Einschnitt. Ohne Viktoria Rebensburg fehlt der Mannschaft nun eine Siegfahrerin. „Die Erwartungen“, sagt Cheftrainer Jürgen Graller, „sind jetzt natürlich andere. Aber es kann auch eine Riesenchance sein.“ Für diejenigen, die bisher im Schatten der zurückgetretenen Rebensburg standen. Im Riesenslalom sieht es allerdings noch düster aus. Die Hoffnungen ruhen auf dem Nachwuchs wie der Debütantin Lisa Loipetssperger, 20, aus München. Aber noch nicht heuer, in ein paar Jahren vielleicht.

Die deutschen Männer starten am Sonntag aussichtsreicher in die Saison. Stefan Luitz hat immerhin schon einen Riesenslalom gewonnen. In diesem Winter, verspricht der 28-jährige Allgäuer, soll es einen neuen alten Stefan Luitz geben. Er wolle, sagt er, „wieder ein bisschen die Drecksau“ sein. Wie früher, als er frech durch die Tore carvte, manchmal allerding so frech, dass es nicht ohne Malheur abging. Dann kamen ein paar schwierige Jahre mit Verletzungen, einem am grünen Tisch zurückerkämpften Sieg und die Beförderung zum Leitwolf im Technikteam nach Felix Neureuthers Rücktritt. Da habe er „einen Schritt zurück gemacht“, gibt er zu. Aber jetzt ist die Zeit reif für ihn, zum Überholen anzusetzen. Vielleicht schon am Sonntag.

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