München – Die Tabelle der Euroleague hat Marko Pesic gar nicht weiter angeschaut. Der Chef der Basketballer des FC Bayern brauchte das nicht, um vor dem nationalen Auftakt am Sonntag beim Pokalduell gegen Bayreuth den Moment zu genießen. „Wenn du in so einer Woche in der Euroleague zweimal auswärts gewinnst, dann ist etwas ganz Besonderes.“
Um 21 Punkte (7:28) waren seine Profis am Freitag bei Final-4-Aspirant Fenerbahce Istanbul zurückgelegen und hatten am Ende doch mit 75:71 erstmals beim Champion von 2017 triumphiert. Sieg Nummer drei im vierten Einsatz. Im Pokal folgte beim 89:95 gegen Bayreuth zwar der erste Dämpfer. Doch durch den Turniermodus bedeutet das noch nicht das Ende der Pokalträume.
Wobei Pesic schon ahnte, dass der Moment für die ersten Erfolgserlebnisse in Tel Aviv und Istanbul auch ein günstiger war. „Man muss natürlich schon zugeben, dass es im Moment einfacher ist, als in anderen Zeiten, weil ohne Zuschauer gespielt wird“, sagte er. Maccabi Tel Aviv wie auch Fenerbahce sind in normalen Zeiten heiße Pflaster. Was das bedeuten kann, hat Bayern-Coach Andrea Trinchieri an seiner vorherigen Station Partizan Belgrad einmal unter die Lupe genommen. „30 Prozent an Leistung“, hat der Italiener festgestellt, „gewinnst du durch die Fans.“ Das kann natürlich ein Teil der Erklärung für den ungewöhnlichen Umstand sein, dass die Bayern ihre drei Siege allesamt auswärts holten während das bislang einzige Heimspiel gegen Olimpia Mailand (79:81 n.V.) verloren ging.
Wobei die Münchener schon vor allem selbst zu den Lichtblicken dieser ersten Königsklassen-Wochen zählten. Das Team um den Euroleague-MVP der Woche, Vladimir Lucic, hat die Umstände der Pandemie angenommen. „Alle sind vor Ort extrem diszipliniert geblieben“, sagte Pesic, „das war toll anzusehen. Was für ein Unterschied etwa zu den Bildern aus Russland, wo Alba Berlin in einer Halle ohne Maskenpflicht zur 93:88-Sensation bei ZSKA Moskau mühte. Nur Zufall, dass die Berliner prompt am Wochenende den ersten Corona-Fall vermeldeten? Albas Pokalspiel gegen Braunschweig fiel aus.
Das Bayern-Team spielte auf seiner Europareise längst nicht immer gut. Aber die Spieler warfen Herz und Energie ins Rennen. In Tel Aviv und vor allem in Istanbul gab es viele Momente, die in der Vergangenheit zu keinem guten Ende geführt hätten. „Im Moment ist eine Atmosphäre, in der jeder dem anderen vertraut“, hat Marko Pesic festgestellt, „und in der jeder immer an unsere Chance glaubt. Da wird nicht einfach aufgegeben.“ So wie am Freitag, als man nach missratener erster Halbzeit, dem Titelaspiranten aus Istanbul im zweiten Durchgang noch 26 Punkte zugestand und das fast schon verlorene Spiel noch drehte. Für den erneut starken Jalen Reynolds (17 Punkte/8 Rebounds) vor allem ein Verdienst des Trainers. „Er hat uns enorm viel Kraft gegeben“, sagte der US-Center. Der so Gelobte wiederum verriet der “FAZ“ seine Triebfeder, nämlich Titel. „Ich vergleiche mich manchmal mit einem alten Mann an der Nordsee, der mit einem Kopfhörer und Detektor am Strand läuft und Metall sucht“, sagte er, „So geht es mir mit Titeln. Wenn du probieren durftest, wie süß sie schmecken, wirst du süchtig. Ich bin süchtig.“