Corona-Tourismus im Fußball

Schweigen aus gutem Grund

von Redaktion

HANNA RAIF

Diese Supercup-Reise des FC Bayern nach Budapest oder der Trip der deutschen Nationalmannschaft in die Ukraine: Tage-, wenn nicht wochenlang wurde zuletzt über den Sinn und Unsinn von Sportevents in Risikogebieten debattiert, die Meinungen gingen auseinander. Finanziell gebeutelte Dachverbände beharren auf ihrem vertraglichen Recht, Vereine wollen das Beste für ihre Belegschaft, sprich: die Profis. Das ist vollkommen legitim – argumentativ aber nicht immer ganz nachvollziehbar.

Seit dem vergangenen Wochenende wird in der Bundesliga gespielt, und seit dem vergangenen Wochenende ist das Thema daher auch wieder brandaktuell. Konkret hat Hoffenheims Alexander Rosen den Stein erneut ins Rollen gebracht, als er öffentlich darüber nachdachte, in näherer Zukunft keine Nationalspieler mehr abzustellen. Den Ärger des Managers kann man nachvollziehen, immerhin fehlte seinem Team Corona-bedingt am Samstag in Andrej Kramaric der wichtigste Torjäger, das Spiel gegen den BVB ging verloren. Allerdings ist doch eine gewisse Doppelmoral anzuprangern, wenn Länderspielreisen nicht in Ordnung sein sollen, Mannschaftsausflüge in Risikogebiete – wie ab dieser Woche in den europäischen Vereinswettbewerben praktiziert – aber schon.

Bis Weihnachten wird es für Hoffenheim in der Europa League nach Liberec, Gent und Belgrad gehen – also in drei Risikogebiete. Für die in der Champions League gejagten Bayern stehen Reisen nach Moskau (dort bleiben Schüler wieder zu Hause), Salzburg (hat Wien als österreichischen Hotspot abgelöst) und Madrid (befindet sich in Isolation) an. Das Argument der „Blase“ ist ein gutes, tatsächlich können sich Club-Mannschaften ja mehr abschotten als Nationalteams, deren Spieler von überall zusammenkommen. Aber schließt Vorsicht den „Worst Case“, die Infektion von Tross-Mitgliedern, aus?

Man kann davon ausgehen, dass es ab sofort mehr „Fälle Kramaric“ geben wird. Das nimmt der Fußball in Kauf, weil auch in dieser Branche Existenzen bedroht sind. Die Resonanz auf Rosens Vorstoß war nicht ohne Grund zurückhaltend. Denn keiner will daran denken, was passieren würde, sollte sich jetzt, wo alle Teile der Gesellschaft wieder runtergefahren werden, eine erneute Grundsatzdebatte im Fußball entfachen. Dann stünden nicht nur die Länderspiele auf dem Prüfstand – sondern alle internationalen Wettbewerbe.

Hanna.Raif@ovb.net

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