Man hat Christian Seifert nie unrasiert und derangiert erwischt. Einfarbiges Hemd, unauffälliges Jackett – einen T-Shirt-Seifert hat kein Fotoarchiv. Er ist auch nie ausfällig geworden, zumindest hat er auf die Breitbeinigkeit der Fußballbranche verzichtet, wenn die Fragen der Medien bohrender wurden wie in den vergangenen Monaten, als die Deutsche Fußball Liga (DFL) bisweilen den Eindruck erweckte, ihre Demut nur zu spielen und tatsächlich der Politik ganz schön einzuheizen. Christian Seifert hat, das lässt sich sagen, die DFL und die ihr angehörigen 36 Clubs bislang gut durch eine Krise gebracht, die so groß wie unvorhersehbar war und ist. Hoffentlich werden die pandemischen Hindernisse Geschichte sein, wenn er Ende 2022 aus seinem Amt scheiden wird. Das hat Seifert nun angekündigt – dem deutschen Fußball tut das weh.
Nun kann man Christian Seifert natürlich mit der Maßlosigkeit in Verbindung bringen, die dem Profifußball anhängt. Er war der Vermehrer des Geldes und hat (zu) spät sein Befremden über manchen Auswuchs kundgetan. Doch er hat die Liga über 15 Jahre im Sinne ihrer Teilhaber entwickelt. Man braucht nur zu vergleichen, was der Verband, der DFB, an Präsidenten und Generalsekretären verschliss und welche Verfahren er am Hals hat, um zu ermessen, wie gut Seiferts Arbeit war.
Doch bei aller Aufmerksamkeit, die der Bundesliga-Fußball genießt: Es gibt wirtschaftlich ja noch viel höhere Sphären in einem Industrieland – und gewiss auch Angebote an einen wie Seifert, der zudem vorausschauend genug ist, um zu erkennen: Im Fußball sind die Möglichkeiten allmählich ausgereizt.
Vielleicht war Seifert als DFL-Boss so erfolgreich, weil er von außen kam. Als Manager aus dem Karstadt-Konzern. Das war wohl doch eine bessere Vorbildung als eine Profifußballkarriere und ein BWL-Fernstudium. Seifert hat den Fußball nüchtern und nicht emotional betrachtet – eine Empfehlung für die Nachfolgeregelung.
Man darf davon ausgehen, dass Christian Seifert eine klare Vorstellung davon hat, was seine neue Herausforderung sein wird. Wenn er seine Hygiene-Pressekonferenzen abhielt, ertappte man sich beim Gedanken, ob es Karstadt heute besser ginge, wenn er geblieben wäre. Oder ob der Flughafen Berlin nicht längst eröffnet wäre, hätte er die Sache in die Hand genommen. Seifert wird ein großer Transfer im Winterwechselfenster 2022.
Guenter.Klein@ovb.net