München – Viagra? Kein Thema für einen Bernie Ecclestone. „Ob ich irgendwas nehme? Nein!“, sagte der ehemalige Strippenzieher, Macher und große kleine Mann der Formel 1 vor seinem 90. Geburtstag am heutigen Mittwoch: „Fabiana gibt mir ein paar Tabletten – Vitamin D, ich nehme sonst nichts.“ Was Ecclestone sonst umtreibt? Erzählt er im Interview.
Herr Ecclestone, wie fühlen Sie sich jetzt mit 90 Jahren?
Sehr gut, danke für die Nachfrage. Ich spüre das Alter nicht. Mein kleiner Sohn Ace (vier Monate, d. Red.) hält mich zudem auf Trab.
Die Formel 1 ist Ihr Lebenswerk. Sie haben sie zu dem globalen Sport gemacht, der er jetzt ist. Wie sehr sind Sie noch involviert?
Ich habe natürlich immer noch viele Kontakte, eine Menge Leute fragen mich noch um Rat. Die neuen Vermarkter gehören nicht dazu. Aber natürlich schaue ich mir noch jedes Rennen an. Das letzte Mal das in Portugal.
Hat es Ihnen gefallen?
Ehrlich gesagt nein. Es wirkte künstlich, ohne Atmosphäre. Es ist halt nicht sehr schön, vor fast leeren Tribünen zu fahren.
Und sportlich?
Die immer vorne sind waren es auch diesmal.
Das hört sich so an, als wären Sie gelangweilt.
Gelangweilt nicht. Aber seit es die Hybridmotoren gibt, ist Mercedes nicht zu schlagen. Ich habe ja damals den Motoren zugestimmt, aber schon nach kurzer Zeit merkte ich, welch großer Fehler das war. Ich wollte es wieder ändern, aber ich stieß auf taube Ohren.
Wie kamen Sie eigentlich dazu, die Formel 1 zu führen?
Motorsport faszinierte mich schon immer. Ich besuchte auch das erste Formel-1-Rennen in Silverstone 1950. Später wollte ich dann selbst fahren. 1958 in Monaco war ich aber zu langsam. Deshalb wollte ich, dass Stirling Moss mit meinem Helm für mich mein Auto fährt. Doch die Rennkommissare bekamen irgendwie Wind davon und passten zu genau auf. Da beschloss ich, das mein Talent eher an der Boxenmauer liegt, weniger im Auto. Ich arbeitete mit Jochen Rindt zusammen, kaufte mir schließlich ein Team. Die anderen waren dann der Meinung, ich wäre der Richtige, sie zu vertreten. Also machte ich das dann. Mir war völlig klar, dass das meiste Geld mit Fernsehrechten zu verdienen ist. Dann machte ich den ersten Deal. Das legendäre Finale in Fuji 1976 war das erste Rennen, das weltweit übertragen wurde und richtig Geld einbrachte. Dabei wäre es fast ins Wasser gefallen. Zum Glück fuhren sie dann doch und James Hunt wurde Weltmeister. Niki Lauda warf mir aus Spaß jahrelang vor, dass ich wegen der Fernsehverträge auf der Austragung des Rennens bestand. Das hätte ihn den Titel gekostet. Wie auch immer: Fuji 1976 war die Initialzündung für den Erfolg, den wir dann hatten.
Was war damals anders als heute?
Damals fuhren die Fahrer nur aus purer Leidenschaft. Sie riskierten ihr Leben in jeder Runde, aber das ignorierten sie einfach. Auf Strecken wie der Nordschleife, wo die Auslaufzonen Bäume und Gräben waren. Heute sind die meisten Strecken ja so ausgelegt, dass den Piloten das Benzin ausgeht, bevor sie irgendwo einschlagen. Das Gefühl, das nächste Rennen könnte das letzte sein, schweißte sie damals zusammen. Sie waren wie Kameraden, die gemeinsam in eine Schlacht zogen.
Was waren Ihre schlimmsten Erlebnisse?
Da gab es eine Menge. Jedes Mal, wenn du einen Fahrer verloren hast, musstest du deine Trauer bekämpfen. Imola 1994 war sicherlich extrem schlimm. Und für mich persönlich natürlich Monza 1970, als mein Freund Jochen Rindt starb.
Können Sie sich noch erinnern?
Ja, als wäre es gestern. Ich rannte so schnell ich konnte zur Unfallstelle. Da transportierten sie Jochen gerade auf einer Trage. Ich sah und wusste sofort, es ist vorbei. Ich packte seinen blutverschmierten Helm und ging unter Tränen zurück in die Box. Ich musste mit Nina reden, seiner Ehefrau. Das lenkte mich von meiner eigenen Trauer ab. Denn ich war völlig verzweifelt. Jochen war nicht nur mein Freund, er war auch mein Geschäftspartner. Wir hatten noch so viel vor gehabt. Ich bin sicher, dass wir später zusammen die Formel 1 geleitet hätten. Ganz sicher.
Wie würden Sie denn Michael Schumacher beschreiben?
Man konnte ihm vertrauen. Wenn man ihm einen Job gab, konnte man sicher sein, dass er ihn erfüllen würde. Er legte die Limits für andere Fahrer noch mal nach oben. In jeder Beziehung.
War das Comeback bei Mercedes gut für ihn?
Für ihn nicht so gut wie für die Formel 1. Aber er wusste, dass er wie damals mit Ferrari erst mal Aufbauarbeit leisten musste. Und es ist fast schon tragisch, dass ausgerechnet der profitiert, der ihm einen Rekord nach dem anderen abjagt.
Lewis Hamilton…
Genau! Aber auch Toto Wolff und all die anderen. Ich möchte die Leistung aller Beteiligten nicht schmälern, aber sie mussten sich 2014 nur noch in das Bett legen, das Ross Brawn und unter anderem Michael für sie gemacht haben.
Was denken Sie über Mick Schumacher?
Was ich so mitbekomme, ist er ein sehr netter Junge. Er wird nächstes Jahr in der Formel 1 fahren. Aber man darf nicht zu viel von ihm erwarten. Die Geschichte seines Vaters lässt sich nicht wiederholen.
Danke für das Gespräch, Herr Ecclestone. Noch eine Frage: Können wir uns in zehn Jahren zu ihrem 100. Geburtstag wieder verabreden?
Bingo, das machen wir.
Interview: Ralf Bach