München – Thomas Dreßen war am Freitag auf keiner Piste unterwegs, das war nach einigen Trainingstagen in Sölden auch so geplant. Doch ob und wann der beste deutsche Skirennläufer wieder auf den Brettern stehen kann, ist dieser Tage fraglich. Der zunächst vierwöchige Lockdown in Deutschland trifft vor allem die Alpinen des Deutschen Skiverbandes (DSV) bis ins Mark. „Das klemmt auf Dauer unseren Lebensnerv ab“, sagte der zuständige Sportdirektor Wolfgang Maier.
„Vor allem unsere Alpinen“, berichtete auch DSV-Vorstand Stefan Schwarzbach, „haben immer größere Schwierigkeiten, noch ein halbwegs vernünftiges Training unter den immer schwieriger werdenden Rahmenbedingungen zu realisieren.“ Maier sprach am Freitag aus Sölden, wo alle anderen deutschen Mannschaften mit Ausnahme eben der Abfahrer trainierten. „Noch“, sagte er mit einem Seufzer, „gehen die österreichischen Gletscher.“ Aber auch Maier fragt sich: „Wie lange noch?“
Noch kann im ewigen Eis von Sölden oder Hintertux, zur Not auch im Südtiroler Schnalstal jenseits der italienischen Grenze trainiert werden. Doch erstens ballt sich dort in Ermangelung von Alternativen die ganze Ski-Szene, auch mit Touristen, und zweitens schien es schon am Freitag nur noch eine Frage der Zeit, bis auch die Skigebiete in Österreich auf Druck der Regierung schließen müssen. „Wir sind händeringend auf der Suche, wo überhaupt noch was geht“, sagte Maier. Er klang konsterniert.
Der großflächige Lockdown in Deutschland bringt das Training der Alpinen praktisch zum Stillstand. Der Plan, Mitte November hinauf auf die Zugspitze zu wechseln, ist seit Mittwoch Makulatur, auch Deutschlands höchster Berg wird gesperrt. Das Skigymnasium in Berchtesgaden ist zu, ebenso Hallen, in denen wenigstens Trockentraining möglich wäre. „Für uns ist das einschneidend“, betonte Maier und ergänzte mit einem Hauch Zynismus: „Mal schauen, ob’s uns in vier Wochen noch gibt.“
Dann werden die Probleme nicht geringer sein. So hat der DSV mehr als eine Million Euro zusätzlich für die Corona-Tests seiner Sportler einplanen müssen, zudem muss der Verband hoffen, dass er seine Weltcups und vor allem die Nordische Weltmeisterschaft in Oberstdorf durchbringt – ob mit oder ohne Zuschauer. Die großen Veranstaltungen spülen immerhin noch durch TV-Gelder und Sponsoren Geld in die Kasse. Das Neujahrsskispringen der Vierschanzentournee findet schon mal ohne Publikum statt.
Ebenfalls im Februar sollen in Cortina d’Ampezzo die Alpinen um WM-Medaillen fahren, die Fortsetzung der Saison im Weltcup ist für 13. November geplant. Maier warnt: „Wir haben massive Probleme, nachhaltig und konkurrenzfähig zu bleiben.“
Und die Weltcupfahrer sind nur die Spitze des Eisbergs. „Am massivsten sind die Einschränken für unseren Nachwuchs- und Freizeitbereich und für unsere Vereine. Hier hätten wir uns eine differenziertere Reglementierung gewünscht“, sagte Schwarzbach.
„Der ganze Nachwuchs wird uns jetzt erst mal weggenommen“, erklärte Maier. Er befürchtet für die Alpinsparte des DSV daher das Schlimmste: „Uns droht eine ganze Generation verloren zu gehen.“ sid