Wenn der Coach am Schreibtisch sitzt

von Redaktion

Der ungewöhnliche erste Auftritt der Nationalmannschaft – Sportdirektor krankgeschrieben

VON GÜNTER KLEIN

Krefeld – Wenn Sportler positiv auf Covid-19 getestet werden, heißt es in den Verlautbarungen der Vereine dazu meistens: Er ist symptomfrei. Bei Toni Söderholm, dem Eishockey-Bundestrainer, der noch jung ist (42) und ein Leben mit viel Bewegung führt, verhält es sich nicht so. Gut eine Woche ist es her, dass bei ihm die Infektion ausbrach „und ich mit 40 Grad Fieber unterwegs war. Geruchs- und Geschmackssinn waren wie bei vielen auch bei mir weg.“ Schmecken kann er noch immer nicht, auch wenn sich der Verlauf der Krankheit beruhigt hat: „Es fühlt sich an wie eine normale Erkältung. Und es ist eine frustrierende Zeit.“

Der Finne hat sich den Auftakt seiner deutschen Nationalmannschaft daheim am Schreibtisch am Rechner angesehen. Für einen, der von Berufs wegen mit Eishockey zu tun hat, ist eine für den Durchschnittsfan aufbereitete Perspektive zu wenig. Einer wie Söderholm will „immer fünf Spieler im Bild haben“, in der Fernsehübertragung folgen die Kameras der Scheibe, zu sehen sind dann nur die Spieler, die sich in der Nähe befinden. „Am Rechner oder Fernseher zu analysieren ist schwierig“, weiß Söderholm. Trotzdem deckte sich sein Eindruck mit dem der Beteiligten: „Die Spieler haben es richtig gesagt: Die ersten Minuten waren nicht sauber, aber gut war, wie sie gearbeitet, wie sie auf freie Scheiben reagiert und sich bei Wechsel des Puckbesitzes verhalten haben.“ Man dürfe halt auch nicht vergessen, wie ungewöhnlich das alles war. Söderholm: „Es ist komisch, dass einige ihr erstes Spiel der Saison für die Nationalmannschaft und nicht ihren Verein machen.“

Aber sie waren richtig schön heißgelaufen, die Nationalspieler nach der langen Pause. Mit zwei Toren und zwei Assists drehte der Straubinger Marcel Brandt auf – als Verteidiger. Er hatte, da sein Verein in der DEL ihm kein Eistraining bieten konnte, bei seinem Heimatclub Dingolfing in der Landesliga gespielt – unter Hobbycracks. „Das wurde belächelt“, sagt er, „aber es hat geholfen, den Spaß am Eishockey zu behalten.“

Sie mussten sich alle reinfinden in das sehr spezielle Ambiente eines Geisterspiels. Markus Eisenschmid fiel auf, wie absurd die Inszenierung einer Normalität sein kann: „Der Stadionsprecher sagte: ,Stehen Sie auf für die Nationalhymne.’ Es waren aber nur ein paar Journalisten da.“ Steffen Ziesche, der Söderholm mit dem Bremerhavener Thomas Popiesch an der Bande vertrat, meinte: „Schade besonders für die Jungs, die ihre Premiere gefeiert haben, dass sie keine Unterstützung hatten.“ Aber: „Es ist wunderbar, dass wir überhaupt spielen durften.“

Und am Samstag (16.45 Uhr) und im Finale am Sonntag (14.30 Uhr) wird es ernst, ein richtiges Länderspiel. Lettland, einziges auswärtiges Team beim Deutschland Cup in seiner Corona-Edition und am Freitag 4:2-Sieger über die deutschen Junioren, wird „nah an den Körper gehen“, so erwartet es Toni Söderholm, „eine erfahrene, unangenehme Mannschaft“.

Wer übrigens wie Söderholm nicht in Krefeld ist: der eigentlich wichtigste Mann im Verband, Stefan Schaidnagel, der „Sportdirektor mit Generalverantwortung für das deutsche Eishockey“, so sein Titel. Voriges Jahr hatte er die Bühne genutzt, um in der Profiliga eine stärkere Forcierung der deutschen Spieler zu fordern. Beharrlich hatte er dafür gekämpft, dass das Turnier in Krefeld trotz aller Widrigkeiten stattfindet. „Stefan ist krankgeschrieben“, erklärt Söderholm auf Nachfrage. Kein Covid-Fall, er könne aber „nicht mehr dazu sagen“. DEB-Präsident Franz Reindl bestätigt unserer Zeitung: „Stefan ist seit 19.10.2020 krankgeschrieben.“

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