München – Wie immer war etwas Großes geplant. Bobfahrer, Rodler und Skeletonis unter einem Dach. Fotos, Interviews – der offizielle Startschuss für den Winter. Die Realität sah gestern dann etwas anders aus: Virtuelle Pressekonferenz, unter anderem mit Thomas Schwab. Und der Generaldirektor des Bob- und Schlittenverbandes für Deutschland (BSD) sagte mit Blick auf die kommende Woche startende Saison: „Wir werden da nicht schadensfrei durchkommen.“
Das ist keine düstere Voraussage, sondern eine realistische Einschätzung der Corona-Lage, die noch dazu auf Erfahrung beruht. Rund 1000 Tests, sagte Schwab, habe der BSD im vergangenen halben Jahr schon durchgeführt (Mehrkosten: rund 100 000 Euro). Die übergroße Mehrheit war freilich negativ, das Team der Rodler aber musste zuletzt wegen positiver Ergebnisse die Vorbereitungspläne über den Haufen werfen. Wenn die Athleten nun ab 20. November (Bob/Skeleton) in Sigulda (Lettland) und eine Woche danach (Rodeln) in Innsbruck in die Weltcup-Saison starten, erhöht sich das Risiko. Schwab macht sich daher „keine Illusionen“, auch wenn er vom Hygienekonzept der beiden Welt-Verbände schon überzeugt ist.
Man habe „das Team gesplittet, um Infektionsketten bewusst zu trennen“, führte der 58-Jährige aus. Der BSD ist also so aufgestellt, dass bei einem positiven Corona-Fall „nicht das ganze Team explodiert“. Dass einzelne Athleten aber einzelne Weltcup-Stationen – sechs im Bob/Skeleton, acht bei den Rodlern – verpassen, ist wohl nicht zu vermeiden. Schwab versicherte daher, „für alles gerüstet zu sein“, auch für mögliche Verlegungen und Zusammenlegungen von Rennen.
Der BSD ist ohnehin schon in die Bresche gesprungen, denn die Weltmeisterschaften finden nicht wie ursprünglich geplant in Whistler (Kanada) und Lake Placid (USA) statt, sondern am Königssee (Rodeln) sowie in Altenberg statt. „Das ist schon eine Last“, sagte Schwab, verwies aber auf den Ruf des deutschen Verbandes als „verlässlicher Partner“. Man ist auch „im eigenen Interesse“ eingesprungen: „Nicht im sportlichen Sinne – sondern weil wir wollen, dass diese Events stattfinden.“
Für die deutschen Sportler, bei denen seit gestern Tina Herrmann, Jacqueline Lölling und Hannah Neise sowie Christopher Grotheer, Felix Keisinger und Alexander Gassner als Weltcup-Starter im Skeleton feststehen, ist die vorolympische Saison aus sportlicher Sicht vielleicht irreführend (Schwab: „auf den schwierigen Bahnen fahren wir heuer nicht“). Trotzdem fühlt man sich privilegiert, überhaupt starten zu dürfen. Ohne die Heim-Weltcups, sagte Schwab, sei man „im Februar 2021 insolvent“. So aber „leben wir davon, dass wir im TV präsent sind, Fernsehgelder regenerieren und die Sponsoringverträge mit unseren Partnern erfüllen“.
Mit Zuschauern an den Bahnen plant aktuell niemand. Das ist halt die neue bittere Realität. HANNA RAIF