Corona darf nicht stören

Planet Profifußball

von Redaktion

GÜNTER KLEIN

Bis zu seinem Ruhestand vor ein paar Jahren war Rollo Fuhrmann Sky-Reporter (zur Erinnerung: Der Mann mit den tiefen Furchen, der 2001 Schalke für ein paar Minuten zum Meister ernannte), dem Fußballgeschäft ist er weiter verbunden, als Kolumnist, als meinungsstarker Privatier. Am Samstag twitterte er: „Fußball heute Abend?? Ich guck lieber meiner Waschmaschine bei 60 Grad zu, Buntwäsche.“ Der vorauseilende Verdruss galt nicht dem zu erwartenden sportlichen Aspekt der Begegnung Deutschland – Ukraine, sondern der Tatsache, dass das Spiel überhaupt stattfand. Und genau diese Frage muss man stellen: Wäre unter den Umständen – eines der beteiligten Teams, die Ukraine, hat im Kader fünf Coronafälle – eine Partie in einer anderen Sportart angepfiffen worden? Im Handball, in dem Nationalspieler von ihren EM-Qualifikationsspielen das Virus mitgebracht haben, wurden einige Bundesliga-Ansetzungen gestrichen, im Eishockey stehen zwei Mannschaften der Oberliga Süd wegen weniger als fünf Fällen komplett unter Quarantäne, und auch im klassentieferen Profifußball gab es Ausfälle im Programm.

Man hat den Eindruck, dass das deutsche Nations-League-Match nicht ausfiel, weil es nicht ausfallen durfte. Denn eine Neuansetzung wäre nicht unterzubringen gewesen im Kalender, ein termingerechter Abschluss des Wettbewerbs ist notwendig, weil ja schon die Auslosung der nächsten Qualifikationsrunde ansteht, deren Töpfe sich danach richten, wie man im Wettbewerb zuvor abgeschlossen hat. Das Geschäft funktioniert nur, wenn es immer weiterläuft. Und das Dass ist in diesem Fall wichtiger als das Wie. Die Fairness – Nebensache.

Offiziell übt sich der Profifußball, auch der der Bundesliga, in Demut und begibt sich in die Hände der politischen Entscheidungsträger und der Behörden. Tatsächlich baut er subtilen Druck auf – mehr noch, je tiefer diePandemie greift. Dürfen die Menschen im Lockdown selber weniger tun, dient der Fußball sich als das Stück Normalität im Leben an. Das kann man als scheinheilig empfinden, denn der Fußball beansprucht für sich Sonderregelungen. Tests, wo sie knapp werden, keine Quarantäne, wo sie für den Rest der Welt angesagt wäre. Da kann man sich leicht hinter der Entscheidung eines Gesundheitsamts verstecken, denn dieses wird es nicht wagen, sich gegen den mächtigen Fußball zu stellen.

Zur Vermarktung des Spitzenfußballs gehört, dass seine Protagonisten beteuern, dass ihre Mannschaft eine enge Clique von Kumpeln in jeder Lebenslage („auf und außerhalb des Platzes“) ist, doch wenn einer positiv getestet wird, wollen alle anderen zu ihm keinen Kontakt gehabt haben. An einer Stelle kann die große Erzählung des Fußballs nicht stimmen. Sie spielt auf einem anderen Planeten und gefällt immer wenigen seiner Freunde.

Guenter.Klein@ovb.net

Artikel 1 von 11