Der Unglaubliche will mehr

von Redaktion

Hamilton bleibt erfolgshungrig – der Sport ist für ihn aber längst nicht alles

Istanbul – So außergewöhnlich die Leistung des neuen Rekordweltmeisters, so simpel war dann sein Party-Plan. „Minestrone-Suppe und eine Flasche Wein“, sagte Lewis Hamilton (35) grinsend, mehr brauche er nicht am Ende dieses großen Tages in Istanbul. Der Engländer gönnte sich einen ruhigen Heimflug nach Monaco – der Rest der Sportwelt lief derweil heiß beim Versuch, Hamiltons siebten WM-Titel einzuordnen.

So groß wie Schumacher, größer als Schumacher, der Größte aller Zeiten. Man war sich einig und doch auch uneinig darüber, wo Lewis Hamilton von nun an rangiert. Sebastian Vettel, einst Dauerrivale des Briten, warb für einen pragmatischen Ansatz. Und zeigte sich dabei uneitel. „Es ist schwierig, verschiedene Generationen zu vergleichen, vielleicht würden wir uns in den Autos von damals in die Hosen machen“, sagte der Ferrari-Pilot, „aber jede Ära hat ihren Fahrer. Und Lewis ist ohne jeden Zweifel der Größte unserer Generation.“

Als „unglaublich“ bezeichnete Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff die Leistung seines wichtigsten Angestellten. Mit seinem Sieg auf dieser phasenweise unbefahrbaren Rutschbahn am Bosporus habe Hamilton „wieder gezeigt, wie herausragend er ist“. Er habe gar „seinen Status als einer der besten Sportler der Welt zementiert“.

Der erfolgreichste Formel-1-Pilot der Geschichte ist er ohnehin, das belegen die Zahlen. Allerdings hat Lewis Hamilton spätestens in diesem Jahr dafür gesorgt, dass er nicht nur durch seine schon fast 100 Siege in Erinnerung bleiben wird.

Umweltschutz, Tierschutz, Veganismus, Spendenaktionen, Hamilton war schon in den vergangenen Jahren nicht mehr der Jetsetter und Party-König, als den ihn die Formel 1 seit 2007 kennengelernt hatte. Ernsthafte Themen rückten bei ihm in den Mittelpunkt. Das Jahr 2020 brachte nun aber noch einmal eine neue Qualität. Hamilton verschrieb sich nicht nur abseits der Rennstrecke mit Leidenschaft der Black-Lives-Matter-Bewegung, er mahnte auch innerhalb des Sports den Kampf für Gleichberechtigung an, inspirierte Mercedes gar dazu, bis auf Weiteres in schwarzen „Silberpfeilen“ anzutreten.

Mit 20 Millionen Followern allein bei Instagram ist Hamiltons Reichweite gewaltig, seine Vorbildfunktion sollte daher nicht unterschätzt werden. Und der 35-Jährige ist sich dieser mittlerweile bewusst. Erfolge im Sport seien eine schöne Sache, sagte er, aber „es gibt einen viel größeren Sieg, für den alle weiterkämpfen sollten: mehr Gleichheit und mehr Vielfalt.“

Nebenbei, sagte Hamilton, könne er übrigens durchaus weiterhin Formel-1-Rennen fahren. Und verriet damit schon einmal, dass es ziemlich gut aussieht mit einer Fortsetzung der Karriere in der Königsklasse. Der Vertrag bei Mercedes läuft im Winter aus, Zweifel an einer Verlängerung gibt es aber eigentlich keine mehr. Zumal Hamilton in Istanbul erklärte: „Ich habe das Gefühl, dass es gerade erst beginnt, es ist ganz komisch“, sagte er, „je länger ich fahre, desto besser werde ich.“

Der Weg zu Titel Nummer acht wäre damit geebnet. Auch Toto Wolff mag offenbar nicht mehr an ein Scheitern der Verhandlungen glauben. „Er liebt Racing, er liebt den Wettbewerb, und er ist auf der Höhe seines Schaffens“, sagte der Österreicher: „Ich denke, dass wir noch eine Weile zusammen weitermachen werden. Auch, wenn Lewis jetzt sicher etwas teurer geworden ist.“  sid

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