Schneidetisch statt Kaffeekränzchen

von Redaktion

Eindrücke von Ligaspielen und Spielern verschafft der Bundestrainer sich in Tele-Arbeit

Sevilla/München – Joachim Löw schwärmt von Robin Koch. Toll, wie der sich in England gemacht hat, sich nicht schrecken lässt von der Premier League, wie er sich hineingefunden hat in den sehr speziellen Fußball des Trainer-Gurus Marcelo Bielsa bei Leeds United. Normal hätte der Bundestrainer in dieser Saison bereits eine England-Reise hinter sich, besonders beim FC Chelsea (Timo Werner, Antonio Rüdiger, Kai Havertz) und bei Manchester City (Ilkay Gündogan) spielen seine interessanten Leute. Oft meldete Löw sich bei den Clubs an, und es kam noch zu einem Kaffeekränzchen.

Die Pandemie hat das alles verändert. Joachim Löw hat seine Scouting-Touren ins Ausland eingestellt, auch seine Mitarbeiter reisen nicht mehr. Der DFB-Trainerstab hat komplett auf Tele-Arbeit umgestellt. Sogar aus der Bundesliga erfolgte der Rückzug mit der Ansage der Politik, dass das Publikum wieder raus müsse aus den Stadien. Noch nicht mal in Freiburg und bei der TSG Hoffenheim, seinen nächstgelegenen Standorten, begehrt Löw Zutritt.

„Ich habe noch nie so viel Fußball geschaut wie jetzt“, sagt der Bundestrainer. Wie darf man sich das vorstellen? Jogi in bequemer Sofa-Seitenlage, sein Sky-Abo genießend? Das hat er, „aber über mein System Zugriff auf viele andere Spiele“. Es gibt spezielle Scouting-Feeds, bei denen die Kameraführung sich nicht nach den dramaturgischen Bedürfnissen der Zuschauerschaft richtet, sondern einen Überblick für die Analyse gibt.

Mit einbezogen werden Löws Assistenten Marcus Sorg und Andy Köpke, der nach der WM 2018 auf den Posten des Chefscouts weggelobte Ex-Co-Trainer Thomas Schneider und der offiziell nicht mehr als Chefscout agierende, aber weiter einflussreiche Schweizer Urs Siegenthaler. „Sie sollen die Bundesliga nicht in der Konferenz schauen“, schiebt Löw ihnen einen Unterhaltungs-Riegel vor. Jeder wird angewiesen, sich zwei Partien vorzunehmen. Löw teilt „Spiele und Spieler“ zu. „Wir haben immens große Datenbanken, erstellen Einzelprofile.“

Löw selbst verfolgt die Spiele in aufmerksamer Arbeitshaltung, denn: „Ich schneide zu Hause viele Situationen und gebe sie weiter an die Scoutingabteilung.“

Was er alles so anschaut: „Bundesliga, Premier League, in Frankreich Paris, Italien – oft auch Spiele, bei denen kein Nationalspieler dabei ist.“ Das meiste zeitversetzt, „oft sehe ich ein Spiel vom Samstag erst am Dienstag“. Liebend gerne möchte er ins Stadion zurück: „Man sieht einfach mehr.“  gük

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