Klare Mehrheit gegen Löw

Der Kampf ist schon verloren

von Redaktion

GÜNTER KLEIN

Man musste auch auf die Kleinigkeiten achten, die in den Fernsehberichten der vergangenen Tage zu sehen waren. Auf die Komposition eines Beitrags wie neulich im ZDF. Da ging es um die Position von Joachim Löw, und gezeigt wurde, wie der Bundestrainer, bevor es in Sevilla losging, erst die Lippen mit einem Stift, vermutlich einem Labello (also nicht für die Schönheit, sondern gegen die Spröde), nachzog und dann, als er Platz genommen hatte auf der Bank, mit einem Spray die Mundhöhle befeuchtete (damit er gut riecht?). Bis 2018 wären solche Szenen als liebenswürdige kleine Eitelkeiten eines Mannes, der auf sich achtet, durchgegangen; man hat damals ja gelächelt, als Löw während eines Spiels im portugiesischen Faro gegen Gibraltar mit der Feile gegen einen Einriss am Fingernagel vorging. Nun nicht mehr, nun bestärken sie eine Mehrheit der deutschen Fußball-Interessierten in ihrem Urteil: Der Jogi ist zu lange da, seine Welt und unsere passen nicht mehr so recht zusammen. Die Tage, die seit dem Schock-Resultat von Spanien (0:6) vergangen sind, haben gezeigt: Der DFB-Spitze ist es nicht gelungen, das Thema mit einer schnellen Verlautbarung zu schließen. Es bleibt auf der Agenda. Wenn Umfragen wie vom Fachmagazin „kicker“ oder von „Sport1“ eine 90-prozentige Ablehnung eines „Weiter so und weiter mit Löw“ offenbaren, dann ist das eine neue Qualität der Opposition gegen den Bundestrainer (und unausgesprochen auch gegen Oliver Bierhoff).

Unverständnis erntet ja vor allem, dass Löw am 4. Dezember seine Analyse der Lage gar nicht selbst wird vorstellen müssen vor dem DFB-Präsidium. Das als Faulheit oder endgültige Abgehobenheit zu interpretieren wäre aber nicht legitim. Was es nämlich ist: Ein Indiz dafür, wie es laufen könnte. Oliver Bierhoff steht nicht zur Disposition, er ist mit Direktorenstatus und der Energie, die er in das Projekt DFB-Akademie steckt, zu wichtig und zu mächtig, um keine Rolle mehr zu spielen. Vielleicht nimmt er sich bei der Nationalmannschaft etwas zurück, lässt jemand anderen den Teammanager machen, das ist möglich. Bierhoff wird am 4. Dezember da sein – und vielleicht überbringt er den Rücktritt Löws. Es ist das Angebot des DFB: Kein Trainertribunal. Die Tür wäre offen für eine friedfertige Lösung. Löw ist nicht dumm und er ist empathisch: Beliebt war er auch nach 2018 noch mehrheitlich. Er wird in diesen Tagen spüren, dass das nicht mehr so ist – und sein Kampf längst verloren.

Guenter.Klein@ovb.net

Artikel 1 von 11