München – Er ist der Sportdirektor der deutschen Biathleten und als solcher ist Bernd Eisenbichler in diesem Jahr gefordert wie selten zuvor. Doch vor dem Auftakt am Samstag in Kontiolahti sieht der Siegsdorfer seine Sparte bestens gerüstet, wie er im Interview erklärte.
In Skispringer Markus ist ein Eisenbichler mit dem Sieg in Wisla schon gut in den Winter gestartet. Nun sind Sie am Zug…
Ich war bis zuletzt noch in Muonio und habe die Mannschaft gesehen. Ich habe ein gutes Gefühl. Es sind alle gut durch den Sommer gekommen. Man weiß jetzt natürlich nicht, wie die Situation bei der internationalen Konkurrenz ist. Aber von unserer Seite sieht es gut aus.
Ricco Groß meldete zuletzt vor allem bei den Frauen Zweifel an. Er meinte, nur Denise Herrmann käme für Siege in Frage.
Er arbeitet ja nicht mehr in unserem Verband und hat sicher nicht den Einblick. Eine Franziska Preuß etwa ist gesundheitlich gut durchgekommen, das war bei ihr ja nicht immer so. Auch Vanessa Hinz hat einen Schritt nach vorne gemacht. Auch Maren Hammerschmidt und Janina Hettich haben sich weiterentwickelt. Und bei den Männern sind wir ohnehin gut aufgestellt. Benedikt Doll, Arnd Peiffer, Johannes Kühn und Philipp Horn waren bereits gesetzt. Aber auch einem Simon Schempp traue ich den Sprung zu. Jetzt in Kontiolahti hat es noch nicht ganz gereicht, aber ihn werden wir definitiv noch sehen. Er hat so viel Erfahrung, und er hat gut gearbeitet.
In einem Sommer, der von der Pandemie überschattet war. Inwieweit war eine normale Vorbereitung überhaupt möglich?
Am Anfang war natürlich viel Flexibilität gefragt. Vor allem im Mai und Juni sind einige Maßnahmen ausgefallen und wir mussten individuelle Lösungen finden. Danach konnten wir aber eigentlich alles umsetzen. Ausreden gibt es da ganz sicher keine.
Haben Sie keine internationalen Vergleiche?
Man schaut natürlich in die sozialen Medien. Wo sind die anderen, was machen die? Aber einen direkten Vergleich gab es nur mit den Schweizern, unter anderem bei der „Deutschen“. Selbst in Muonio waren wir jetzt alleine. Da waren einige Langlaufteams, aber keine Biathleten.
In anderen Sportarten sagt man, nicht der Beste sondern der Gesündeste wird sich durchsetzen…
Ich glaube beides. Aber klar geht es in diesem Jahr auch ganz stark darum, wer mit den Umständen am besten klar- und dann entsprechend auch am besten durch den Winter kommt. Die IBU lässt in diesem Jahr zwar vier statt sonst zwei Streichresultate zu. Trotzdem musst du natürlich den Winter über konstant sein. Aber ich denke, wir sind auch für die Situation gut aufgestellt.
Was heißt das?
Dass wir auch im Hinblick auf die Corona-Pandemie gut eingestellt und vorbereitet sind. Als Leistungssportler bist du ja immer erpicht darauf, gewisse Hygiene-Standards einzuhalten. Das gilt jetzt natürlich ganz besonders. Wir bewegen uns in Bubbles. Es wird nach Möglichkeit in Einzelzimmern geschlafen. Es gelten Abstandsregeln, mindestens alle vier Tage wird auf Corona getestet. Besprechungen werden vor allem draußen durchgeführt. Wo nötig wird Maske getragen. Und es gibt weitestgehend wohl keine Zuschauer. Was natürlich komisch ist. Wie letztes Jahr in Nove Mesto. Wenn ein Stadion, in dem sonst 30 000 Zuschauer eine Bombenstimmung machen, plötzlich leer ist und du jedes Wort hörst. Aber darauf haben sich die Athleten gut eingestellt. Ich glaube nicht, dass das ein Faktor ist.
Und die IBU änderte den Wettkampfkalender. Um die Risiken durch Reisen zu verringern.
Ja, das Konzept finde ich nach wie vor sehr gut, da hat die IBU einen guten Job gemacht. Dass wir damit in diesem Jahr Ruhpolding als Weltcupstandort verlieren, ist bedauerlich. Aber du musst flexibel bleiben. Die Mannschaft ist nach Kontiolahti mit dem Bus gefahren. Sonst sind wir diese Strecke geflogen. Zur nächsten Station in Hochfilzen fliegen wir im von der IBU organisierten Charter. Das bedeutet natürlich alles einiges mehr an Kosten. Aber da sind wir als Verband zum Glück ganz gut aufgestellt.
Schwieriger ist die Lage in der Nachwuchsarbeit. Und das, obwohl ein Umbruch wartet. Arnd Peiffer etwa denkt an Abschied.
Klar, wir wissen schon, dass wir Athleten haben, die nicht noch zehn Jahre weiter laufen. Aber für den direkten Umbruch in der Nationalmannschaft ist die Corona-Pandemie weniger problematisch, denn der Profisport-Status reicht ja bis in den C-Kader. Was uns eher umtreibt ist die Nachwuchsarbeit in den ganz jungen Jahrgängen. Sie sind von den Beschränkungen stark betroffen.
Experten fürchten, eine Generation an die Playstation zu verlieren…
Ach, das ist mir zu plakativ. Ich glaube nicht, dass man gleich eine Generation von Talenten an die Playstation verliert. Klar, es ist nicht leicht. Letztes Jahr hatten wir zu wenig Schnee. Jetzt kam die Corona-Pandemie. Aber man darf deshalb nicht alles schwarz-weiß sehen. Wir hoffen, dass wir im Januar vielleicht doch die Möglichkeit haben, etwa den Schülercup durchzuführen und damit dem jungen Nachwuchs eine Perspektive zu bieten. Ich denke, ein Jahr können wir überbrücken. Länger sollte es aber definitiv nicht dauern.
Interview: Patrick Reichelt