Schlechte Werte fürs DFB-Team

Der Trend zum Vereinsfußball

von Redaktion

GÜNTER KLEIN

Ach, diese Erinnerungen an 2010 und 2014. Als zu den Spielen in Durban oder Kapstadt wie aus dem Nichts Zehntausende deutscher Fußballfans auftauchten oder einem vier Jahre später im Hotel in Rio am Tag vor dem WM-Finale am Frühstücksbuffet plötzlich der Pressesprecher des Eishockey-Clubs Adler Mannheim gegenüberstand, der seinen Sommer mit vier Wochen Brasilien gefüllt hatte – wird es so etwas in absehbarer Zeit wiedergeben? 2022 in Katar, 2026 bei dem über USA, Kanada, Mexiko verstreuten Turnier? Momentan kann man sich das nicht vorstellen. Ungeachtet der Corona-Krise: Eine Nationalmannschaft so faszinierend zu finden, dass man ihr hinterher reist, weil sie einfach die großartigste Truppe ist, die identitätsstiftende Gemeinschaft schlechthin – nein. Viele schalten ja nicht mal mehr den Fernseher ein, wenn sie spielt. Wer hat in seinem Umfeld nicht Leute, die glaubhaft versichern, sie hätten spätestens 2018 das Interesse verloren an ihr und dem Länderspiel-Fußball?

Eine FAZ-Umfrage unter (einstigen) Sympathisanten des DFB-Teams belegt dieses Gefühl mit Zahlen. Die Imagewerte der Nationalmannschaft sind in den vergangenen fünf Jahren drastisch gesunken, auf einer Skala von eins bis fünf, vergleichbar etwa mit dem Schulnotensystem, von 1,78 auf 3,84. Eine frühere, vom DFB veranlasste Studie, wonach die Nationalmannschaft so großen Einfluss auf Leben und Meinungsbildung habe, dass sie sich die vierte Gewalt im Staate nennen könne, gilt nicht mehr.

Man kann es Oliver Bierhoff ankreiden, dessen Branding „Die Mannschaft“ als affektiert empfunden wird. Man kann auch von Joachim Löw genug haben und finden, dass alle in diesem Apparat um die Nationalmannschaft herum zu satt geworden sind. Doch es gibt einen Trend, der damit nichts zu tun hat und den sowohl die Sportartikelindustrie als auch Medienkonzerne befeuert haben: Den modernen Fußball beherrschen die großen Vereinsmarken und einige wenige individuelle Erscheinungen. Er Fußball ist personalisiert. Junge Leute sind Fans von Cristiano Ronaldo und Neymar, und die dürfen gerne den Club wechseln, sie werden dafür nicht verteufelt. Ihre Follower ziehen mit um, und das könnte auch geschehen, wenn Messi nächstes Jahr bei Manchester City spielt. Clubs und Stars sind immer präsent, wichtig sind Champions League und Ballon d’Or, ein Nationalteam verschafft sich Aufmerksamkeit nur durch ein Turnier. Das dann auch gut laufen muss.

Die Nationalmannschaft wartet auf 2024. Heim-EM, Dringend nötig, sie zu haben. Letzte Chance.

Guenter.Klein@ovb.net

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