München – Natürlich wäre es möglich gewesen. Natürlich hätte Joachim Löw sich über das Kontingent der beiden Teams einen Platz in dieser leeren Allianz Arena zuteilen lassen können. Aber der Bundestrainer bevorzugte bei diesem Topspiel das heimische Sofa. Dass er dadurch die Möglichkeit verpasste, die nächste Gala von Thomas Müller im Bayern-Trikot live mitzuerleben, passte zu den Diskussionen, die das 3:3 der Münchner gegen RB Leipzig begleiteten. Löw war nicht da – aber in aller Munde.
„Jogi weiß schon, was er macht“, verteidigte sein langjähriger Weggefährte Hansi Flick, kritische Töne aber überwogen am Rande der Partie und auch gestern. Immerhin mit Humor konnte Müller die ganze Sache nehmen, denn er hatte mal wieder geliefert. „Ich versuche, in der Mannschaft, in der ich auf dem Platz stehe, zu helfen. Das klappt ganz gut“, sagte der 31-Jährige, der als Doppel-Torschütze wie Antreiber glänzte. Mit Blick auf die Nationalmannschaft fügte er nach nun sechs Toren in zehn Liga-Spielen hinzu: „Ich bleibe dran, den Rest schauen wir mal…“
Schauen wir mal – das ist auch das Motto von Löw, der nach dem 0:6-Debakel gegen Spanien abgetaucht ist. Unter anderem bei Karl-Heinz Rummenigge kommt das nicht gut an. „Der Trainer muss eigentlich zur Pressekonferenz, nicht der Sportdirektor“, sagte der Bayern-Boss am Samstag. Zu viel Bierhoff, zu wenig Löw: Das denkt Rummenigge, der Löw rät, „etwas offensiver mit der Gesamtsituation umzugehen“. Ihm ist das alles zu defensiv.
Bierhoff sieht das freilich anders – und sagte gestern bei „Sky“: „Er wird nächste Woche reden, das kann ich garantieren. Jogi wird dann Rede und Antwort stehen.“ Der exakte Termin folgte kurz danach: Heute um 16 Uhr spricht Löw, Bierhoff freut sich auf einen kämpferischen Auftritt. Für den DFB-Direktor sei Löws öffentliches Schweigen während des Entscheidungsprozesses innerhalb des Verbandes ohnehin kein Problem gewesen. Rückendeckung erhielt der viel kritisierte Bundestrainer auch von seinem Kapitän. Manuel Neuer erklärte im „ZDF-Sportstudio“, dass es richtig sei, den eingeschlagenen Weg mit Löw als Trainer weiterzugehen: „Wir sind den Weg mit ihm zusammen gegangen, wo wir viel ausprobiert haben. Die Situation war für uns als Nationalmannschaft ganz anders als erwartet. Wir mussten mit den Umständen klarkommen.“ Gleichzeitig kündigte Neuer wieder Erfolgserlebnisse und Wiedergutmachung an: „Wir hoffen, dass wir es im neuen Jahr und gerade zur Europameisterschaft besser machen können.“
Ob dann auch wieder Müller helfen darf? Die Entscheidung, mit Löw weiterzumachen, kommentiert er so: „Alle Deutschen müssen hinter dieser Entscheidung stehen und alles dafür tun, dass wir da wieder Schwung reinbringen in die Bude. Und mit Joachim Löw bringen wir auch wieder Schwung in die Bude.“
Den aktuellen Schwung von Müller lobte Uli Hoeneß gegenüber der „Sportschau“: „Der Thomas ist, in der Form, in der er jetzt ist, für jede Mannschaft ein Gewinn.“ Der Ehrenpräsident des FC Bayern sprach sich für eine Rückkehr Müllers aus. „Ich bin überzeugt, dass er bei den Diskussionen, die wir aktuell haben, einer derjenigen ist, auf die Löw im Frühjahr nicht verzichten wird.“