Bundestrainer Löw verteidigt sich

Selbst gestrickte Wahrheiten

von Redaktion

DANIEL MÜKSCH

Manche Ausführung von Bundestrainer Joachim Löw in seiner gestrigen Verteidigungspressekonferenz hörte sich plausibel und logisch an. Wahrscheinlich weil man diese Sätze so oder so ähnlich in den letzten Jahren immer mal wieder gehört hat.

„Junge Spieler“, „die Entwicklung stimmt“, „sind von unserem Weg zu hundert Prozent überzeugt“: diese Floskeln prägen die Ära Löw. Vom Beginn seiner Amtszeit, bis heute. Nur inzwischen haftet an diesen Floskeln weniger Wahrheit denn je. Seine Mannschaft ist alles, aber nicht mehr „jung“. Diese Entschuldigung ist sowohl für Löw als auch für seine Spieler ein unwürdiges Schutzschild. Gegen Spanien lag der Schnitt der DFB-Kicker bei 27,3 Jahren. Die Spanier waren im Schnitt ein Jahr jünger, hatten über 80 Länderspieler weniger absolviert. Und das Gros seines Kaders steht beim amtierenden Champions-League-Sieger unter Vertrag, bei dem diese Jungspunde in den letzten Monaten in Europa zum fußballerischen Maß der Dinge avancierten. Begleitet von Leistungsträgern bei Real Madrid oder Manchester City.

Lauscht man hingegen den Ausführungen des Bundestrainers, scheint es: Löw stünde einer ambitionierten A-Jugendmannschaft vor. Eine 0:6-Niederlage im gleichen Atemzug als einmaligen Ausrutscher zu entschuldigen, wird sich in Zukunft hoffentlich als korrekt erweisen, jedoch wundert die Löwsche Ansicht, dass die Gesamtentwicklung als positiv zu bewerten ist, doch sehr. Die Qualifikation für eine Europameisterschaft einer deutschen Nationalmannschaft als Erfolg zu verkaufen, kann nicht der Anspruch der deutschen Auswahl sein. Und 2020 folgte keine Besserung. Oder können Sie sich an ein mitreißendes Spiel der deutschen Mannschaft in diesem J’ahr erinnern? Nein? Nicht sehr verwunderlich – es gab nämlich keins.

Jetzt mag man das alles noch als Geplänkel vor dem nächsten großen Turnier runterreden, doch die offenen Wunden, die die Aufarbeitung zwischen Löw und dem DFB hinterlassen haben, machen eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen dem gebürtigen Schönauer und dem DFB eigentlich unmöglich.

Joachim Löw war gestern angetreten, um den Weg bis zur EM zu skizzieren und Fragezeichen zu beseitigen. Doch mehr als alte Floskeln und selbst gestrickte Wahrheiten hatte der Bundestrainer nicht zu bieten. Leider.

Daniel.Mueksch@ovb.net

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