Corona-Schatten über der Zockerparty in Happy Valley

von Redaktion

GALOPP Die millionenschwere Rennwoche in Hongkong steht diesmal ganz im Zeichen der Pandemie

VON MICHAEL LUXENBURGER

München – „Das ist eines der schwierigsten Jahre in der Geschichte des Hongkong Jockey Club und für den gesamten Pferderennsport“, sagt der CEO des HKJC, der Deutsche Winfried Engelbrecht-Bresges. Im Zeichen von Corona mussten er und sein Team Besonders leisten, um mit der Rennwoche rund um die Longines Hongkong International Races (HKIR) am kommenden Sonntag auch 2020 den Schlusspunkt hinter das Rennjahr in Hong Kong setzen zu können. Umgerechnet rund zehn Millionen Euro beträgt das Preisgeld in den vier Rennen der Gruppe Eins, der Champions League der Galopper.

Bereits am Mittwoch beginnt in Happy Valley, der Stadtrennbahn von Hongkong, die Zockerparty. So happy wie gewohnt wird sich das Valley in diesem Jahr bei der Longines International Jockey Challenge (IJC) aber nicht präsentieren. Denn auch dieser normalerweise in einer Art Volksfest mit viel Bier und Live-Rockmusik von zehntausenden Fans zelebrierte Event ist von der vierten Covid-19-Welle getroffen worden. Genauso wie am Sonntag in Sha Tin sind keine Rennsportfans zugelassen. Nur ein paar Pferdebesitzer dürfen samt Familie dabei sein. Rund drei Milliarden Hong Kong Dollar (etwa 315 Millionen Euro) wurden an den beiden Renntagen im Vorjahr mit Wetten umgesetzt. Diesmal werden es nicht weniger sein – das Internet macht’s möglich.

Zwölf Top-Jockeys aus England, Frankreich und der heimischen Reitergilde bewerben sich am Mittwochabend um umgerechnet rund 90 000 Euro Preisgeld. 2000 und 2005 holte sich der mehrfache deutsche Championjockey Andrasch Starke den Siegespokal, doch deutsche Reiter werden schon seit einigen Jahren nicht mehr eingeladen. Favorit ist der dreifache Hongkong-Champion Joao Moreira.

Um diesen Event und den Mega-Renntag am Sonntag in Sha Tin, der zweiten Rennbahn des Stadtstaats am südchinesischen Meer, in Zeiten von Corona durchführen zu können, hat der HKJC ein logistisches Meisterstück hingelegt. Glücklicherweise ist er finanziell so gut aufgestellt, dass Geld kaum eine Rolle spielt. Die meisten der Jockeys aus Großbritannien und Frankreich hatten bis Sonntag den Flug nach Hongkong absolviert – in vom Jockey Club gecharterten Flugzeugen. Umgerechnet fast eine halbe Million Euro hat man sich das kosten lassen.

Einmal in Hong Kong eingetroffen, bewegen sich die internationalen Jockeys komplett sozusagen in einer Blase – kein Kontakt zur Außenwelt, mehrfache Corona-Tests, exklusive Shuttle-Services zwischen Rennbahnen und Hotel, eine eigene Jockeystube. Diese Blase, die in einfacherer Form schon seit einigen Monaten für alle beim HKJC fest Beschäftigten gilt, blieb bisher dicht. Der Club musste keinen einzigen Corona-Fall melden. Andernfalls hätte die Stadtverwaltung die Rennen untersagt.

Allen Widrigkeiten zum Trotz – neben Corona waren ja auch die sozialen Unruhen im Stadtstaat am südchinesischen Meer zu kompensieren – belief sich der Wettumsatz in der Saison 2019/20 auf 121,6 Milliarden Hongkong Dollar (rund 13 Milliarden Euro) – der dritthöchste in der Geschichte des Clubs. Alleine am HKIR-Tag in Sha Tin im Dezember 2019 wurde für 1,71 Milliarden Hongkong Dollar (188 Millionen Euro) gewettet. Dabei war zeitweise neben dem Umsatz auf den beiden Bahnen auch der aus den Wettbuden ausgefallen, die immer mal wieder geschlossen werden mussten. Besonders bitter war der erhebliche Verlust an Fußballwetten, der vor allem durch den monatelangen Shut Down der englischen Premier League entstanden war. „Da haben uns jeden Monat etwa rund hundert Millionen Euro Umsatz gefehlt“, sagt der Clubchef.

Dennoch hat der Hong Kong Jockey Club auch in diesem Jahr erhebliche Summen an die Stadtverwaltung abgeführt, und auch der Beitrag zum sozialen Leben der ehemaligen britischen Kronkolonie kann sich wieder sehen lassen. Im vergangenen Jahr waren es rund 770 Millionen Euro gewesen, mit denen der Jockey Club Krankenhäuser, Kinderkrippen, Schulen oder Altenheime unterstützt. Diese aus dem öffentlichen Leben nicht mehr wegzudenkende Hilfe seitens des Clubs gibt ihm auch die Sicherheit, die er in diesen Zeiten zunehmenden chinesischen Einflusses auf Hongkong braucht. „Wenn wir weiter Rennen veranstalten können, kann der Club den Menschen hier helfen, die wegen der Pandemie harte Zeiten durchmachen müssen“, so Engelbrecht-Bresges.

Ein Beispiel: Der HKJC hat eine Initiative gestartet, Bürgern von Hongkong, die ihren Job ganz oder teilweise verloren haben, und ihren Familienmitgliedern kostenloses warmes Essen zu bescheren. „Damit hat der Club nunrund 6,6 Millionen Euro ausgegeben, um Corona-Folgen abzumildern. Und wir werden damit weiter machen, so lange das nötig ist.“ Denn schwierig ist das Jahr 2020 in Hongkong nicht nur für den Pferdesport.

Artikel 9 von 11