München – Der Ruf von Manuel Neuer kam aus dem Halbfeld, aber er war auch vorne, im Strafraum, wo Niklas Süle sich aufhielt, bestens zu hören. „Bestätigen, Niki!“, hallte es durch die Allianz Arena, als in der 65. Minute der nächste Standard anstand. Die Ecke zuvor hatte Süle zum 1:0 gegen Lokomotive Moskau verwertet und den FC Bayern damit auf Siegkurs gebracht. Es wäre eine schöne Pointe gewesen, hätte es gleich noch mal funktioniert. Sie blieb allerdings aus.
Auch Süle selbst hatte schmunzeln müssen bei diesem Motivations-Ruf aus den eigenen Reihen. Er sah also in diesem Moment etwa genauso aus wie zwei Minuten vorher, als er in seinem 25. Champions-League-Spiel seinen ersten Treffer erzielt hatte. Als die Kollegen auf den Nationalspieler zuliefen, um ihn zu feiern, wirkte er für einen kurzen Moment, als wisse er nicht, wohin mit seinen Gefühlen. Es fiel viel von ihm ab, das sah man ihm an. Aber es war ihm auch irgendwie unangenehm, so im Rampenlicht zu stehen. Nach 33 Pflichtspielen ohne eigenen Torerfolg muss man das erst mal wieder lernen. Hinaus kam ein verschmitztes Lächeln. Eines, wie nur Süle es kann.
„Wir haben heute das Beste draus gemacht mit diesem Abschluss“, sagte der Verteidiger später, sein eigenes Tor – oder gar die Genugtuung darüber: für ihn kein Thema. „Das einzige, was zählt“, sei der Sieg, beteuerte er diplomatisch, auf die schweren letzten Wochen und seine zwischenzeitliche Aussortierung wollte er nicht näher eingehen. Warum? Er habe halt „keine Lust auf Interviews“, egal, ob er gut oder schlecht gespielt habe, und was über ihn geschrieben werde, sei ihm sowieso „sch…-egal“. Ein interessanter Auftritt war das nicht nur auf dem Feld, sondern auch daneben. Seine Worte sprach Süle passenderweise in Badeschlappen – bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt.
Er ist schon ein spezieller Typ, dieser Niklas Süle. Aber einer, der aus gutem Grund geschätzt wird. Knapp drei Wochen, nachdem Flick ihn aufgrund von Trainingsrückstand aus dem Kader nahm, ihn individuell trainieren ließ, ist er plötzlich wieder eine echte Konstante in der Bayern-Abwehr. Daran, dass gegen Lokomotive endlich ein Zu-Null-Spiel gelang, „war Niki auch beteiligt“, lobte Flick. Dass er dann auch noch zum Matchwinner avancierte, passte bestens. Süles Antwort kam mit Wucht.
Bis dahin war es keine Glanzvorstellung der Bayern gewesen, aber „nach dem Tor war ich mir sicher, dass wir das Spiel gewinnen“, sagte Flick. Der Impuls für die kleine Krönung des – mit Ausnahme des 3:3 bei Atletico – perfekten Champions-League-Jahres ging von Süle aus. Bereits zum dritten Mal hintereinander stand der 25-Jährige nun in der Startelf, Flick ist „mit seiner Entwicklung sehr zufrieden“. Ohnehin lobte der Coach aber die ganze Abwehr, „in der Niki ein wichtiger Teil war“.
Auch wenn die verordnete Pflichtspiel-Pause ihn wurmte: Die Zeit abseits des Teams hat Süle genutzt. Und Flick hat nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass er „bei voller Fitness“ ein Leistungsträger in diesem Team ist. Bis zum Status als unangefochtener Abwehrchef ist es noch ein kleiner Weg. Aber Spiele wie jenes gegen Moskau sind gute Argumente.
Dass es nicht zwei Tore wurden – geschenkt! „Bestätigen“ kann Süle auch noch in den nächsten Wochen.