„Das trocknet mental unheimlich aus“

von Redaktion

Im heißen Dezember ist Bayern-Coach Trinchieri vor allem Verwalter der Kräfte seiner Spieler

VON PATRICK REICHELT

München – Am Dienstag in Weißenfels hat der Meister die Personalrotation sogar zeitweilig auf sich selbst ausgeweitet. Andrea Trinchieri blieb erst einmal auf der Bank. Assistent Adriano Vertemati durfte sich das zunächst eher trübe Geschehen von der Seitenlinie anschauen. Für den Coach der Basketballer des FC Bayern ein normaler Vorgang: „Du musst in unserer Situation die Arbeitsbelastung verteilen.“

Klar, alle drei Tage muss man wieder ran. Heute Abend zur Abwechslung mal wieder in der Euroleague. Um 20.30 Uhr schaut ASVEL Villeurbanne im Audi Dome vorbei. Der französische Topclub war nach holprigem Start in der Königsklasse zuletzt immer besser in Fahrt gekommen. Hatte Spitzenreiter Barcelona und Panathinaikos Athen überfahren, gegen Efes Istanbul nur hauchdünn verloren. Nicht die Aufgabe, die sich Trinchieri gerade wünscht. „Sie sind im Moment eines der drei stärksten Teams der Euroleague“, sagte er, „eigentlich will keiner gegen sie spielen.“

Schon gar nicht jetzt, in einer Phase, in der die Körper angesichts der Belastung langsam in den roten Bereich schlittern. Wobei das wohl nur die halbe Wahrheit ist. Noch weit schlimmer ist in Pandemiezeiten die psychische Seite. „Du bist alle 72 Stunden bei einem Test und denkst jedes Mal: Was wird jetzt herauskommen? Du kommst zum Flughafen und siehst nur Masken. Du siehst nur leere Hallen ohne Fans. Selbst bei Restaurants, die ich sehr liebe, weiß ich gar nicht mehr, wie sie aussehen“, sagte Trinchieri, „das trocknet mental unheimlich aus.“

Auch ein Grund, warum der Italiener seine Mannschaft immer wieder kräftig rotiert. Zuletzt in Weißenfels ließ er neben dem angeschlagenen Nihad Djedovic auch Wade Baldwin und Vladimir Lucic pausieren. Lucic hat in der noch jungen BBL-Spielzeit überhaupt nur das Spitzenspiel gegen Ludwigsburg bestritten. Und trotzdem bleibt die Frage: Wie lange geht das gut? Auch die Auftritte in Europa haben nicht mehr die Leichtigkeit der ersten Saisonphase.. „Seit einiger Zeit sind wir dabei, das Nötige aus einzelnen Spielern herauszupressen“, sagte Trinchieri. So wie zuletzt aus Nihad Djedovic. Der Kapitän sollte gegen Khimki Moskau eigentlich gar nicht spielen und war am Ende einer der Schlüsselspieler beim heiß erkämpften achten Sieg. Die beiden BBL-Partien gegen Göttingen und in Weißenfels verpasste der Deutsch-Bosnier prompt und auch heute ist die Rückkehr alles andere als sicher.

So gesehen trifft es sich vielleicht ganz gut, dass sich die Bayern zuletzt noch einmal eine Blutauffrischung leisten konnten. Euroleague-Kämpfer James Gist wird im Laufe der nächsten Woche zum Team stoßen, das Euroleague-Duell mit Zalgiris Kaunas könnte sein Debüt werden. D.J. Seeley ist bekanntlich schon da, der Guard war in den beiden Ligaspielen schon einmal eine der produktivsten Kräfte in den Münchner Reihen. In einem Ausmaß, das sogar den erfahrenen Coach überraschte. „Er hat sich hier eingeführt, als wäre er schon lange da“, sagte Trinchieri, „das war die unkomplizierteste Verpflichtung meiner Karriere.“ Es gibt ja doch noch leichte Dinge in diesen Tagen.

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