„Gold? Würde ich nehmen“

von Redaktion

Felix Loch über Selbstvertrauen, die Heim-WM, Olympia 2026 und Parallelen zu Thomas Müller

München – Sieger in Innsbruck, Sieger in Altenberg – Sieger in Oberhof? Am Wochenende steht für die Rodler die dritte Weltcup-Station an, Favorit bei den Herren ist: Felix Loch (31). Der einstige Dominator ist nach zwei durchwachsenen Jahren bei alter Stärke – und spricht im Interview über die Gründe dafür.

Herr Loch, wie fühlt sich siegen nach 22 Monaten Durststrecke an?

Sehr, sehr gut. Es war einfach nur schön, dass es endlich wieder funktioniert. Für den Außenstehenden schaut der Erfolg überraschend aus, da muss ich aber sagen: Wenn ich meine beiden letzten Winter anschaue, hätte es auch da schon gut gepasst, wenn ich gut gefahren wäre. Ich habe es aber einfach zu selten hinbekommen. Und das eine oder andere Mal sind mir dann auch die Bedingungen in den Rücken gefallen.

Bei Ihrem zweiten Saisonsieg in Altenberg waren die Bedingungen auch eine Lotterie.

Das stimmt – aber da hat man gesehen, dass wir aus dem letzten Jahr gelernt haben. Da nämlich war ich, so blöd es klingt, im ersten Lauf oft zu schnell und hatte dann im zweiten wieder eine hohe Startnummer. Wenn die Bahn langsamer wird, hast du dann keine Chance, vorne mitzufahren. In Altenberg bin ich nun von Platz 17 auf eins gefahren, da habe ich auch von der Startnummer profitiert. Und natürlich davon, dass zurzeit einfach alles gut zusammenpasst.

Merkt man, wenn man endlich wieder oben steht, was man vermisst hat?

Natürlich. Aber ehrlich gesagt fand ich auch letztes Jahr interessant, also die Phasen, in denen es mal nicht so läuft. Da musste ich im zweiten Lauf voll auf Angriff fahren, alles riskieren. Wenn du jetzt – wie in Innsbruck – vorne liegst und weißt, es passt alles, gehst du doch entspannter rein. Da weiß man: Ich muss gerade runter fahren, dann sollte es reichen. Beides hat seinen Reiz.

Sie sagen, dass der Erfolg für Außenstehende überraschend kommt. War Ihnen in den letzten Monaten klar, dass sie wieder Siegfahrer werden?

Ich habe schon gemerkt, dass es sehr gut funktioniert, als ich heuer das erste Mal auf den Schlitten gestiegen bin. Auch der Schorsch (Hackl/d. Red.) hat gleich gesagt: „Felix, das schaut gut aus!“ Trotzdem ist es immer schwierig, sich selbst einzuschätzen, wenn man noch keine internationalen Vergleiche hat. Nach der Deutschen Meisterschaft am Königssee war ich mir kurzzeitig mal unsicher. Deshalb war es umso erfreulicher, dass wir zum Weltcup-Start gleich gesehen haben, dass wir richtig gelegen sind.

Sind Sie ein echter Corona-Nutznießer? Weil der Fokus im Sommer ausschließlich auf den Sport gesetzt war?

Das kann man so sagen. Ich hatte viel Zeit, die ich auch mit der Familie zu Hause verbracht habe, das war sehr schön. Aber ich habe auch etwa 20 Trainingstage mehr – das sind mehr als drei Wochen – gehabt als vor einer normalen Saison. Dass das geholfen hat, zeigen alleine meine Startwerte. Athletik wird ja nicht im Winter gemacht, sondern im Sommer.

Haben Sie die Lehren aus den vergangenen durchwachsenen Jahren in die Arbeit einfließen lassen?

Ganz ehrlich: kaum. Denn ich habe nie an mir gezweifelt, nie gedacht, dass ich das Rodeln verlernt habe. Es waren ja auch immer gute Rennen dabei zwischendurch, ich habe das schon richtig eingeordnet. Riesengroße Gedanken darüber, ob ich überhaupt noch vorne mitfahren kann, habe ich mir nie gemacht. Mein Kopf war immer klar. Ich bin nie nach einem Training hergegangen und habe gesagt: Ich lass es lieber sein. So denke ich nicht.

Hatten Sie immer Spaß?

Ja. Weil mir das Rodeln selber einfach so viel Spaß macht. Auch wenn die Ergebnisse mal nicht so gepasst haben. Ich hatte einfach oft keine Chance, weil mir die Konstanz gefehlt hat. Trotzdem habe ich den Kopf nie in den Sand gesteckt, sondern weitergemacht. Den Spaß an meinem Sport nimmt mir niemand (lacht).

Das spricht für Ihr Sportlerherz.

So ist es. Aber ich mache die ganze Sache ja nun auch schon das eine oder andere Jahr. Höhen und Tiefen gehören zum Sport dazu. Wir haben sehr, sehr viele richtig gute Jahre gehabt, aber mir war schon immer klar, dass es nicht immer so weitergehen kann, nicht jedes Jahr immer noch besser werden kann. Die Konkurrenz schläft ja nicht, sondern sie holt immer weiter auf.

Ihre beiden Kolleginnen Natalie Geisenberger und Dajana Eitberger sind als Mütter genauso erfolgreich wie zuvor. Ist das bei Vätern anders – also: Hat Sie der Nachwuchs ein paar Jahre abgelenkt?

Nein, überhaupt nicht. Ich weiß immer, dass es zuhause läuft, dass meine Frau Lisa das im Griff hat. Es ist manchmal schwierig und anstrengend für sie. Deshalb bin ich da auch sehr dankbar. Ich kann mich drauf verlassen, dass da alles passt und ich mir keine Gedanken drüber machen muss.

Schauen Ihre Jungs Rodeln?

Natürlich. Im Moment mehr vor dem Fernseher, aber sie sind voll dabei. Das macht mich schon stolz. Mal sehen, was es mal wird (lacht).

War der Große schon mit auf dem Schlitten?

Noch nicht. Und wenn, dann ist das auch nicht meine Aufgabe, sondern die vom Opa. Das ist doch wie mit dem Skifahren: Als Eltern kann man sich da nur Ärger einhandeln, wenn man den Kindern das beibringen will.

Ist Georg Hackl eigentlich Patenonkel?

Nein, es war bei uns schnell klar, wer das wird. Aber er ist da auch nicht böse. Der hat selber genug zu tun und ist froh, nicht noch eine Aufgabe mehr zu haben.

So hat er mehr Zeit, an Ihrem Material zu tüfteln.

So ist es (lacht).

Sie sprechen bei ihm von „blindem Vertrauen“.

Seit Jahren, das haben wir schon sehr, sehr lange. Wir ergänzen uns perfekt und profitieren beide gewaltig. Er bekommt viele Aussagen von mir, was gut funktioniert und was nicht. Das kann er dann zum Beispiel an Natalie weitergeben.

Haben Sie materialtechnisch den Russen und Österreichern gegenüber aufgeholt?

Auf jeden Fall. Wir haben einiges probiert, einiges funktioniert jetzt auch schon sehr gut. Heuer haben wir deshalb einen gewaltigen Schritt in die richtige Richtung gemacht. Das sieht man ja.

Georg Hackl sagt: „Felix ist in der Form seines Lebens.“ Ist das so?

Sagen wir so: Es passt alles sehr gut. Da greifen viele kleine Bausteine.

Ein guter Rotwein wird im Alter ja auch besser.

Das ist bei mir wie bei Thomas Müller (lacht). Und auch Manuel Neuer.

Mit Blick auf die Heim-WM kann es nur ein Ziel geben, oder?

Eine Heim-WM ist ja immer etwas Besonderes, auch wenn sie unverhofft kommt. Wir freuen uns drauf und versuchen, so erfolgreich abzuschneiden wie 2016.

Also: Gold!

Würde ich nehmen (lacht).

Und 2022 holen Sie sich die verpasste Goldmedaille bei den Olympischen Spielen zurück?

Natürlich ist alles auf Olympia ausgerichtet. Wenn alles funktioniert, können wir da gut mithalten. Allerdings müssen wir auf der Bahn in Peking erst noch unsere Erfahrungen machen. Dass Neues uns aber nicht abschreckt, haben wir schon oft genug bewiesen.

Und dann sind es noch vier Jahre bis 2026.

Rodeln kann man doch lange. Wenn ich sehe, wie lange der Schorsch oder ein Armin Zöggeler vorne mitgefahren sind, geht das auf jeden Fall. Wenn es körperlich und gesundheitlich passt, sind die Spiele 2026 für mich machbar. Den Spaß werde ich auf jeden Fall bis dahin nicht verlieren.

Interview: Hanna Raif

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