Zwei Tage war die Videokonferenz des Joachim Löw alt, als sich am Horizont des deutschen Fußballs ein Silberstreif auftat. Nach dem FC Bayern, Borussia Dortmund und RB Leipzig schaffte am Mittwochabend auch Borussia Mönchengladbach den Sprung ins Achtelfinale der Champions League. Vier Bundesligisten in der ersten K.o.-Runde der Königsklasse hatte es zuletzt vor sechs Jahren gegeben.
Was das mit dem Bundestrainer zu tun hat? Löw, der sich in seiner Rede an die Fußball-Nation ideenlos präsentierte und stets auf die Entwicklung der Spieler verweist, könnte doch von starken deutschen Clubs profitieren. Klingt plausibel, ist es aber nur bedingt. „Als Nationaltrainer bist du darauf angewiesen, wie viele Deutsche spielen. Löw wird durchzählen“, meinte Bayern-Trainer Hansi Flick. Und wer durchzählt, kommt zu folgendem Ergebnis: In den Startformationen der Bundesligisten standen 13 Deutsche, das macht knapp 30 Prozent. Die Clubs aus Spanien (27 Prozent) und England (31) kommen beim Einsatz von einheimischen Spielern auf ähnliche Werte. Ein echter Wettbewerbsvorteil fürs DFB-Team erwächst daraus also nicht.
Interessanter ist der Blick in die Vergangenheit. 2014/2015, als sich in Bayern, Dortmund, Schalke und Leverkusen letztmals alle vier deutschen Vertreter fürs Achtelfinale qualifizierten, waren noch fast die Hälfte aller eingesetzten Spieler für die deutsche Auswahl spielberechtigt (48 Prozent). Damals waren diese Kicker im Schnitt 25,5 Jahre alt, heute haben die deutschen Kräfte bei Bundesligisten gut drei Jahre mehr auf dem Buckel.
Diese Zahlen bestätigen einen Trend im deutschen Fußball: Es wird für einheimische Talente immer schwieriger, auf die so wichtige Spielzeit zu kommen. „Für ein großes Turnier ist es wichtig, dass man erfahrene Spieler hat, die immer wieder in großen Spielen gefordert werden“, sagt Flick. Aus dem letzten DFB-Aufgebot sind neun der 23 Akteure heuer nicht in der Königsklasse am Ball. Ihnen fehlt der Vergleich auf allerhöchster Ebene.
Die wirklich großen Spiele stehen übrigens ab Mitte Februar an – und dann kann es mit der deutschen Herrlichkeit womöglich schnell vorbei sein. RB zog letzte Saison ins Halbfinale ein, das war die absolute Ausnahme. Ansonsten liefern nur die Bayern regelmäßig ab. Überraschungen: erwünscht!
Jonas.Austermann@ovb.net