München – In dieser kalten Nacht zum Donnerstag ging alles ein bisschen schneller als sonst. Das 2:0 gegen Lokomotive Moskau war keine Minute abgepfiffen, da herrschte in der Allianz Arena nicht nur auf den Rängen, sondern auch auf dem Rasen schon gähnende Leere. Und auch die obligatorische Pressekonferenz begann nicht erst um kurz vor Mitternacht, sondern eine gute halbe Stunde vorher. Es wirkte so, als wollen alle Beteiligten einen schnellen Haken an diesen abschließenden Gruppenerfolg setzen, der sportlich unbedeutend war. Aber: Der Schein trog.
„2020 war ein herausragendes Champions-League-Jahr für uns. Wir wollten es mit einem Sieg abschließen – und das haben wir geschafft“, sagte Flick sichtlich gelöst. Denn auch wenn die Darbietung auf dem Rasen – vor allem die ersten 45 Minuten – keinen fußballerischen Hochgenuss geboten hatten, war der Sieg nicht nur verdient, sondern vor allem echter Balsam für die Seele. Stars geschont, Profis aus der zweiten Reihe gestärkt, die nun 17 Spiele währende Serie ohne Niederlage in der Königsklasse ausgebaut – und zum ersten Mal seit Ende Oktober kein Gegentor kassiert. Das seien schon Sachen, sagte Flick, „aus denen man Selbstvertrauen schöpfen kann“. Für das Achtelfinale, das am Montag ausgelost und ab Mitte Februar ausgespielt wird. Aber vor allem für die letzten drei Spiele dieses Jahres: Union, Wolfsburg, Leverkusen.
Eineinhalb Wochen noch, dann ist Schluss, endlich. Und auch wenn Köpfe wie Triple-Beine dem straffen Programm zunehmend Tribut zollen, erhofft sich Flick, dass von der dritten Gruppenphase ohne Niederlage gepaart mit der Aussicht auf ein paar Tage Pause noch mal ein kleiner Motivationsschub ausgeht. Als „traumhaft“ bezeichnete er die zurückliegenden elfeinhalb Monate, daher sollte man nun auch „alle Körner zur Verfügung stellen und alles reinsetzen“, um ohne Punktverlust durchzukommen und über den Jahreswechsel an der Liga-Spitze zu bleiben. „Wir können für uns ein traumhaftes Jahr beenden“, sagte der 55-Jährige. Vor allem, dass hinten die Null stand, sei „gut, um für die letzten drei Partien gerüstet zu sein“.
Flick zählt seit Wochen rückwärts, nun sieht er Licht am Ende des Tunnels. Und er darf sich auch bestätigt fühlen in dem Weg, den er in den vergangenen, nicht immer einfachen Wochen gewählt hat. Am Mittwoch schonte er erneut Stars wie Robert Lewandowski und David Alaba, Thomas Müller und Jerome Boateng wurden zudem vorzeitig ausgewechselt. Anders als in der vergangenen Woche in Madrid aber funktionierte das Gesamtkonstrukt besser. Die Offensive – vor allem die Aktionen von Douglas Costa und Leroy Sané – war zwar wenig zwingend, hinten aber ließ die zuletzt oft vogelwilde Defensive deutlich weniger zu. Endlich mal nicht über Gegentreffer reden zu müssen, gefiel Flick. Und endlich mal andere Torschützen – Niklas Süle und Eric Maxim Choupo-Moting – zu loben, war auch schön.
„Unglaublich glücklich“ etwa war Süle, er sprach damit stellvertretend. Die Gruppenphase haben die Bayern nun mit 2,7 Millionen mehr auf dem Konto – und insgesamt schon rund 39 Millionen – beendet. Aber es soll für den Titelverteidiger ja noch lange nicht Schluss sein. Der Auslosung zum Wochenstart in Nyon blickt Flick entspannt entgegen, „wir können es ja eh nicht ändern“. Der FC Porto, der FC Sevilla, Lazio Rom, Atalanta Bergamo und der FC Barcelona sind die möglichen Lose. „Alles Top-Mannschaften“, sagte er – scheut aber niemanden. Im Gegenteil: „Wir wollen unsere Serie ausbauen.“ Am liebsten bis zum 29. Mai 2021. Nach dem Endspiel in Istanbul könnte man bei 24 Spielen ohne Pleite stehen.