„Ich kann wieder vorne mitfahren“

von Redaktion

Pepi Ferstl über seine Weltcup-Hoffnungen und die Stärke des deutschen Abfahrerteams

München – Am Wochenende beginnt für die Abfahrer in Val d’Isere die alpine Weltcup-Saison – mit dem Super-G am Samstag und der Abfahrt am Sonntag. Pepi Ferstl (31/SC Hammer) rückt nach dem Ausfall von Thomas Dreßen wegen einer Hüftoperation in den Fokus. Der Kitzbühel-Sieger von 2019 spricht über brennende Oberschenkel, angezogene Handbremsen und die Lockerheit, die er jetzt verspürt.

Für die Abfahrer beginnt am Wochenende die Weltcup-Saison – drei Wochen später als traditionell üblich. Sind Sie schon ungeduldig geworden, weil es bis zum ersten Rennen so lange dauert?

Nein, da überwiegt jetzt die Vorfreude. Ich glaube, das ist bei allen so. Trainiert haben wir genug, jetzt ist es wichtig, dass wir in den Rennrhythmus kommen.

Wie ist Ihr Eindruck nach den ersten Trainingsfahrten?

Es ist endlich wieder Abfahrtssport. Wir sind über zwei Minuten unterwegs, die Oberschenkel brennen. Der Fokus muss wieder hundertprozentig da sein. Und die Strecke ist der Hammer.

Die ersten Erfolge in der Saison gab es ja schon – während des Trainingslagers in Copper Mountain haben Sie eine FIS-Abfahrt gewonnen und wurden Zweiter bei den amerikanischen Meisterschaften. Kann man da etwas mitnehmen für den Weltcup?

Grundsätzlich sollte man das nicht überbewerten. Der Schnee in Colorado ist ja ganz anders als hier, auch anders als jetzt in Val d’Isere. Ich bin ganz gut zurechtgekommen, aber es war nicht so aussagekräftig, dass man übermütig werden sollte.

Die beiden Rennen in den USA waren der einzige Vergleich mit Konkurrenten. Trainingsgemeinschaften sind wegen der Corona-Pandemie im Moment ja nicht möglich. Wie schwer wiegt da der Ausfall von Thomas Dreßen, der für das ganze Team die Messlatte ist?

Thomas ist ein sehr wichtiger Bestandteil des Teams, keine Frage. Aber was das Training betrifft, da fährt er ohnehin oft mit angezogener Handbremse. Er ist keiner, der alles im Training zeigt.

Vor zwei Jahren fiel Thomas Dreßen nach einem Sturz die komplette Saison aus. Da sind Sie dann in die Bresche gesprungen und haben den Super-G in Kitzbühel gewonnen. Kann man die Situation vergleichen?

Es war damals schon ein bisschen anders. Da war auch Andi Sander verletzt, und Romed Baumann fuhr noch für Österreich. Zuerst sind damals alle nervös gewesen und haben befürchtet, dass in der Saison nicht viel möglich ist. Aber wir haben zusammengehalten, jeder hat versucht, das Bestmögliche zu geben, und das hat funktioniert. Jetzt fehlt zwar mit Tom die Speerspitze, aber wir sind ja trotzdem noch super aufgestellt. Alle sind gut drauf, und die Jungen kommen auch. Man kann uns schon als starkes Team einschätzen.

Der Fokus liegt nun mehr auf Ihnen. Stört Sie das?

Ach, der Fokus. Der kann sich gleich mal ändern. Der liegt auf demjenigen, der gut fährt. Darüber mache ich mir wenig Gedanken.

Die vergangene Saison war zäh – mit Platz zwölf als bestes Ergebnis. Gibt es eine Erklärung für die Probleme?

Da kam eines zum anderen. Das Trainerteam hat sich verändert, ich habe einen neuen Servicemann bekommen und mich dann an der Hand verletzt – in der wichtigsten Trainingsphase im Herbst. Es gab neue Ski und neue Skischuhe, aber da fehlte mir dann wegen der Handverletzung die letzte Testphase. Ich habe einfach den Fokus nicht so hinbekommen, wie ich es wollte.

Haben Sie Lehren daraus gezogen?

Ich habe gelernt, dass man nicht immer alles auf Erwartungen aufbauen darf. Ich hatte mir für die Saison viel vorgenommen, aber mit Verbissenheit und der berühmten Brechstange funktioniert es nicht. Es ist Selbstvertrauen und eine gewisse Lockerheit notwendig, um schnell zu sein.

Ist beides jetzt da?

Ja, ich gehe so locker in die Saison wie noch nie. Ich verspüre im Moment keinen Druck.

Sie haben die Veränderungen in Ihrem Umfeld angesprochen. Brauchen Sie generell eine Weile, bis Sie sich angepasst haben?

Das würde ich auf alle Fälle mit Ja beantworten. Man muss sich auf neue Charaktere und andere Denkweisen ja erst einmal einstellen. Ich kann mich noch an 2014 erinnern, als ein neues Trainerteam kam. Da habe ich mich am Anfang auch nicht leicht getan. Und mein neuer Servicemann Heinz Hämmerle präpariert die Ski ein bisschen anders, als es der frühere getan hat. Daran musste ich mich auch erst gewöhnen.

Was haben Sie sich für diese Saison vorgenommen?

Ich würde mich selbst schon so einschätzen, dass ich in die Top 15 gehöre, und dass ich wieder vorne mitfahren kann. Wie weit nach vorne es geht, ist aber vor dem ersten Rennen schwer einzuschätzen. Vielleicht reicht es schon, aber vielleicht muss man auch noch an ein paar Rädchen drehen.

Interview: Elisabeth Schlammerl

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