Wenn Jose Mourinho sich einschaltet, dann muss ein Thema von Interesse sein. „The special one“ hat eigene Ansichten von dieser Fußballbranche, er äußert sich auch nicht zu jeder Randnotiz. Aber wenn er gleichzeitig die Möglichkeit hat, seinem ungeliebten Trainerkollegen Jürgen Klopp einen Seitenhieb zu verpassen und Ungerechtigkeit anzuprangern, lässt er sich nicht zwei Mal bitten. Die Worte, die nun von der Insel übermittelt wurden, hallen nach. Sie lauten: „Armer Flick!“ Und: Vielleicht wird er Welttrainer, „wenn sie noch zwei, drei neue Wettbewerbe erfinden, die er auch gewinnt…“
Ähnliche Gedanken sind seit dem Donnerstag, seitdem Jürgen Klopp und nicht er selbst zum besten Trainer 2020 gekürt wurde, auch in Flicks Kopf herumgegeistert. Bayerns Triple-Coach ist ein fairer Sportsmann, die Enttäuschung aber war ihm doch anzumerken. Sie ist vollkommen berechtigt, nur: Flick weiß die Wahl einzuordnen – und hat so geantwortet wie erwartet. Mit einem Sieg zum Jahresabschluss, einem Big Point im Topspiel, der Rückkehr an die Tabellenspitze. Sein nahezu perfektes Jahr hat er damit eben auf seine Art gekrönt.
Es hat in den letzten Wochen und Monaten geknirscht bei den Bayern. Dass Füße wie Gemüter zunehmend müder geworden sind, zeigt allein die historisch schlechte Serie von nun sieben Liga-Spielen hintereinander, in der die Flick-Elf in Rückstand geraten ist. Was am Ende aber vielmehr interessiert, ist die Bilanz, die in ganz Europa registriert wird: Genau ein Spiel – das 1:4 in Hoffenheim – haben die Bayern in diesem elendig langen Fußballjahr verloren. Ansonsten stehen: 48 Pflichtspiele, 42 Siege, fünf Unentschieden. Eine Delle? Nun ja…
Als der Bayern-Coach vor einigen Wochen gefragt wurde, ob er aktuell die schwerste Zeit seiner Amtszeit durchmache, erinnerte an seine ersten Wochen als Chef. Jene, in der er aus einer Ansammlung an Superstars eine echte Einheit formte und den Triple-Spirit entwickelte. Längst aber kann und muss sein Schaffen weitreichender bewertet werden. Flick hat in diesem Jahr bewiesen, dass er nicht nur ein Erfolgsrezept hat, sondern viele.
Den Einbruch durch Verstärkungen, Rotation und Motivation zu vermeiden, war eine genauso große Leistung wie die Triumphe zuvor. Die letzten Wochen – vor allem die finale Pointe in Leverkusen – machen die Bayern endgültig zu Favoriten in einem, zwei, ja drei Wettbewerben. Zur Beruhigung an Mourinho: Flick wird noch mal die Chance bekommen, Welttrainer zu werden.
Hanna.Raif@ovb.net