Weil Weihnachten anders ist

Die Gefahren des 23. Dezember

von Redaktion

GÜNTER KLEIN

Heute ist der 23. Dezember. Früher war das ein Datum, an dem man sich als (leitender) Angestellter im Sportbereich in Sicherheit wähnen durfte. Die Geschäftsstellen der Clubs hatten schon zugesperrt, die Vorstände waren unterwegs Richtung Kanarische Inseln oder zum Arlberg, und die Spieler hatten keine Zeit, irgendwas gegen einen womöglich ungeliebten Trainer zu unternehmen, weil sie sich was Christmas-mäßiges für die Spielerfrauen ausdenken mussten. Vereine haben es also vermieden, im direkten Umfeld von Weihnachten schmerzhafte personelle Entscheidungen zu treffen.

Allmählich kann man das als Geschichten aus einer guten alten Zeit abtun. Das Tabu brach der nach außen so gutmütige Rudi Völler, als er am 23. Dezember 2018 seinen Trainer bei Bayer Leverkusen, Heiko Herrlich, vor die Tür setzte. Trotz einer Adventsbilanz von vier Siegen aus fünf Pflichtspielen. Völler hatte sich zu Weihnachten eben Peter Bosz eingebildet – und, nun ja, es war, wie sich inzwischen sagen lässt, keine so schlechte Idee.

Inzwischen nimmt der Fußball auf Weihnachten überhaupt keine Rücksicht mehr. Gut, es ist Corona-Jahr, ansonsten würde man es vermeiden, am 22. und 23. Dezember noch eine Pokalrunde auszutragen. Da jeweils abends gespielt wird, teils erst ab 20.45 Uhr, und man im Falle einer Enttäuschung einen Trainer nicht mit Schlusspfiff (nach Verlängerung und Elfmeterschießen geht das eh auf Mitternacht zu) rausschmeißt, könnte diesmal sogar Heiligabend der Tag sein, an dem einem nichts mehr heilig ist. Als Kandidat für dieses Schicksal wird Jan-Moritz Lichte genannt, der mit Mainz heute Abend gegen Bochum spielen muss.

In vorangegangenen Jahren hat man Sauereien kurz vor den Festtagen oder an ihnen vermieden, weil man ja den Frieden der Weihnacht in sich verspürte und glühwein- und schupfnudelselig war. Außerdem muss auch ein Manager mal Geschenke kaufen gehen. Nun jedoch schafft das Online-Shopping im Lockdown Zeitgewinn für (harte) Entscheidungen, und ohne Märkte fehlt das Weihnachtsflair. Es ist auch nicht so, dass es erst Ende Januar weiterginge mit Punktspielen und man auf die Segnungen eines Wintertrainingslagers setzen könnte – nein: Am 2. Januar ist schon wieder Spieltag.

Mag sein, dass mancher Wackeltrainer noch über die Weihnachtsfeiertage und Silvester kommt – doch nicht über Dreikönig. Denn: Gute Vorsätze fürs neue Jahr entfallen 2020/21 ohne Anstoßen zum Feuerwerk.

Guenter.Klein@ovb.net

Artikel 1 von 11