Los Angeles – Megan Rapinoe ist die derzeit bekannteste Fußballspielerin der Welt – und hat seit Monaten kein Spiel mehr bestritten. Die Weltmeisterin und US-Nationalspielerin spricht im Interview über die Zwangspause, ohne verletzt zu sein, und wie sie die den Wandel im Sport erlebt, der ihre einsame Rolle im Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung zu einer Position der Mehrheit im amerikanischen Profisport hat werden lassen.
Wann haben Sie zum letzten Mal Fußball gespielt?
In einem echten Spiel?
Ja.
Das war direkt vor dem Lockdown, am 9. März glaube ich. Ja, am 9. März. Alles seither war individuelles Training. Ich habe versucht, so gut es geht in Form zu bleiben, sofern das möglich ist, ohne zu spielen.
Wie geht es Ihnen damit, so lange nicht zu spielen, ohne verletzt zu sein?
Das ist richtig hart, ehrlich gesagt. Wenn du verletzt bist, musst du zur Reha und du siehst den Fortschritt. Es ist einfacher, motiviert und fokussiert zu bleiben. Es ist frustrierend und ätzend, als Spielerin nicht aufs Feld zu können. Aber so, wie die Dinge sind, habe ich mich bislang einfach nicht wohl damit gefühlt – und tue es immer noch nicht, um ehrlich zu sein. In den USA haben wir das einfach so mies gehandhabt wie es nur irgendwie möglich war.
Halten Sie es denn grundsätzlich für eine gute Idee, dass der Profisport in der Pandemie läuft? Allein in der NFL gibt es inzwischen mehr als 500 positiv getestete Menschen.
Persönlich bin ich der Meinung, dass das viel zu viele Fälle sind. Da geht es um das Leben von Menschen. (…) Die Männer-Ligen haben die Möglichkeiten, Flugzeuge zu chartern, das ist ein ganz anderes Szenario als für die Frauen-Ligen, die Linie fliegen und nicht dieses Geld haben, um es so sicher zu machen wie es nur irgendwie möglich wäre.
Im November ist Ihre Autobiografie erschienen und Sie beenden das Buch mit einem sehr optimistischen „auf geht’s“ mit Blick auf die Proteste gegen Rassismus und verbreiten die Hoffnung, dass es sich hier um einen nachhaltigen Wandel handelt.
2020 hat uns viele Wahrheiten und Informationen gebracht, vor denen wir nicht wegrennen können. Wir konnten das lange, einfach nicht darüber zu reden. Ich habe das Gefühl, das ist einer dieser Momente, wo einfach alles zum Vorschein gekommen ist und wir haben jetzt die Gelegenheit, daraus etwas zu machen und echten Fortschritt zu erzielen. 2020 könnte für unser Land aus vielen Gründen ein Schlüsselmoment sein. Aber wir müssen aus der Gelegenheit auch etwas machen – bislang haben wir das. Das hat die Wahlbeteiligung schon gezeigt.
Wie war das für Sie, als im Sommer auch die NBA-Stars auf ein Knie gegangen sind und es nicht mehr nur Sie waren oder Basketballerinnen mit viel weniger Aufmerksamkeit in den Medien?
Das durch alle Sportarten hinweg zu sehen, war ermutigend. Die Wahrnehmung im Vergleich zu vor vier Jahren, als Colin (Kaepernick, Red.) sich hingekniet hat und ich auch, hat sich sehr verändert in einem kurzen Zeitraum. Es ist auch ermutigend zu sehen, dass Sportler im College und bei den Profis sich Gehör verschaffen und ihren Einfluss nutzen, um Veränderungen zu bewirken. Die Realität ist, dass wir in einer Gesellschaft leben, die besessen ist von Prominenten und Sportkultur. Wenn du das kombinierst sind das: Superstars. Viel mehr als Schauspieler oder Schauspielerinnen, Entertainer. Sportler sind auf viele Arten unser wertvollstes Gut.
Team USA hat sich erst kürzlich deutlich positioniert und das IOC aufgefordert, Proteste bei den Olympischen Spielen zuzulassen und die Regel 50 zu ändern. Was ist Ihre Botschaft an das IOC?
Diese Regel hätten sie von vornherein nie erlassen dürfen. Das war offensichtlich kurzsichtig und dumm und hat den ganzen Zweck verfehlt. Also: Vielleicht ein bisschen mehr nachdenken. Athleten werden protestieren. Ich denke, wir sind schon über den Punkt hinaus, dass das überhaupt eine Frage ist.