Flick bei Bayern unter Druck

Die Lehren aus dem Fall Heynckes

von Redaktion

HANNA RAIF

Fehler zuzugeben fällt mit zeitlichem Abstand leichter – und Uli Hoeneß hat seinen Abgang vor einem guten Jahr dafür genutzt, noch mal eindrücklich auf seinen größten hinzuweisen. Er ereignete sich im Jahr 1991 und betraf seinen Freund Jupp Heynckes. Die Entlassung des späteren Triple-Trainers, der in der Spielzeit zuvor die Meisterschaft verpasst hatte und nicht allzu gut in die neue gestartet war, hat der heutige Ehrenpräsident lange bereut. Hoeneß’ Worte – „ich bin sicher, dass er uns noch weit gebracht hätte“ – bestätigte Heynckes schließlich in drei weiteren Amtszeiten. Er trat damit den Beweis dafür an, dass gute Männer im Fußball immer gebraucht werden. In guten wie in schlechten Zeiten.

Es gehört zur Tradition des Clubs, dass Trainer des FC Bayern im Alltag eher Hochphasen erleben. Sonst greift der übliche Reflex: Eine Niederlage kann man als Ausrutscher abtun, eine zweite wird zur Mini-Krise, eine dritte hat einige Coaches schon ihren Job gekostet. Was ein Pokal-Aus in Runde zwei – noch dazu gegen einen Zweitligisten – bedeutet, ist da nur logisch. Hansi Flick erlebt in diesem Winter ungemütliche Zeiten, der Wind wird ihm noch länger öffentlich um die Ohren blasen. Umso wichtiger ist es, dass sich die Chefetage nicht von ihrer Linie abbringen lässt, sondern weiter ruhig bleibt. Das nämlich hat Flick sich mehr als verdient.

Kritische Töne sind freilich angebracht, intern wie extern müssen und werden die Fehlentwicklungen der letzten Wochen angesprochen werden. Dass der Triple-Traum so früh und auf so ungewöhnliche Weise geplatzt ist, tut weh. Aber ist es angesichts des Pensums, das die Profis seit einem guten Jahr absolvieren, wirklich eine Überraschung? Sogenannte Experten hatten der alles überragenden Mannschaft der vergangenen Spielzeit schon viel früher ein Loch prognostiziert. Nun steckt man zum Start ins neue Jahr im Tief. Flick hat eine kleine Reifeprüfung vor sich – oder anders: eine Chance.

Um die Lage zu verdeutlichen, muss man sich nur mal vorstellen, was passiert wäre, hätten die Bayern auch heuer alles dominiert. Flick wäre dann weiter der Mann gewesen, der die Stars nur streicheln muss, damit sie funktionieren. Dass er auch Krisen moderieren kann, seine Philosophie hinterfragt und anpasst, kann (und muss!) er ab sofort beweisen. Er sei einer wie Heynckes, heißt es ja oft. Auch bei dem lief es nicht immer glatt. Aber er hatte nach Hoeneß’ Lapsus 1991 stets das Vertrauen der Bosse – und das war Gold wert.

Hanna.Raif@ovb.net

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